BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren zum Vorhaben „Ersatzneubau 6er-Sesselbahn Himmelsleiter im Kurort Oberwiesenthal“

24. Februar 2015 | BUND, Lebensräume, Stellungnahmen

Es wird folgende Stellungnahme abgegeben: Wir lehnen das Vorhaben in seiner beantragten Form ab.

Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren zum Vorhaben „Ersatzneubau 6er-Sesselbahn Himmelsleiter im Kurort Oberwiesenthal“
Ihr Zeichen: C32-3828.50/1/8


Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Sachsen e.V. bedankt sich für die Beteiligung im vorliegenden Planfeststellungsverfahren durch Gewährung der Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vorhaben „Ersatzneubau 6er-Sesselbahn Himmelsleiter im Kurort Oberwiesenthal.“
Es wird folgende Stellungnahme abgegeben:
Wir lehnen das Vorhaben in seiner beantragten Form ab.
Wir bemängeln, dass hier keine Betrachtung von unterschiedlichen Varianten und Alternativen erfolgt ist, die nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 UVPG vom Vorhabenträger zu erbringen ist. Vielmehr wird unter Verweis auf die vorangegangene Planung eine Betrachtung der Alternativen abgelehnt. Da es sich hier um ein Planfeststellungsverfahren handelt, dass die Zulässigkeit des Vorhabens sowie des Umweltverträglichkeit feststellen soll, erachten wir es als zwingend notwendig, bestehende Alternativen und Null-Varianten im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens darzustellen. Ohne eine solche Darstellung müssen wir davon ausgehen, dass Alternativen einer Vorhabensverwirklichung bestehen, die sich als umweltverträglicher gestalten, als die hier beantragte Variante. Auch Ausführungen zum Bedarf der neuen Lifttrasse sowie zu dessen Erforderlichkeit fehlen den Planunterlagen. Insofern gehen wir davon aus, dass das Vorhaben aufgrund eines fehlenden Bedarfs nicht vernünftigerweise geboten ist. Dem Vorhaben fehlt es an einer Planrechtfertigung.
Die geplante neue Lifttrasse sowie die Vergrößerung der Pisten liegen (teilweise) in einem im Regionalplan Chemnitz-Erzgebirge (2003) ausgewiesenen Vorranggebiet Natur- und Landschaft. Nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 ROG sind Vorranggebiete Gebiete, die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese nicht mit den vorrangigen Funktionen, Nutzungen oder Zielen der Raumordnung vereinbar sind. Das Vorranggebiet, das sich teilweise über das Vorhabengebiet erstreckt, stellt einen schutzwürdigen Bereich für den Arten- und Biotopschutz dar. Es sichert das ökologische Verbundsystem. Ein Ausbau der Pisten und die Errichtung einer neuen Liftanlage stehen hier dem Ziel der Raumordnung in Form eines ausgewiesenen Vorranggebietes für Natur und Landschaft entgegen, da sich das Vorhaben negativ auf den Arten- und Biotopschutz in dem Gebiet auswirkt.
Im Vorhabengebiet ist eine Vielzahl von geschützten und gefährdeten Arten anzutreffen. So sind u. a. die streng geschützten Arten Raufußkauz, Uhu, Schwarzstorch, Sperlingskauz, Karmingimpel, Sperber, Haselmaus und Großer Feuerfalter im Vorhabengebiet vorhanden. Daneben ist das Vorhabengebiet auch Lebensraum von weiteren besonders geschützten Arten, deren tabellarische Darstellung sich auf S. 17 ff. des speziellen artenschutzrechtlichen Fachbeitrag befindet. Durch das Vorhaben kommt es zu erheblichen Beeinträchtigungen der vorhandenen Tierarten, da ihr Lebensraum hier durch die Flächeninanspruchnahme, durch die Zerstörung oder Beschädigung der Vegetationsbestände sowie durch Emissionen in Form von akustischen und optischen Störungen, Erschütterungen und Abgasbelastung zerstört wird. Diese Beeinträchtigungen sind nicht wie in den Planunterlagen angenommen nur vorübergehend, sondern sind in Folge des Betriebs der Lifttrasse sowie durch die Flächeninanspruchnahme dauerhaft. Weiterhin ist aufgrund der verschiedenen geplanten Bautätigkeiten (u. a. Bau der neuen Lifttrasse, Rückbau der alten Lifttrasse, Bau der Gebäude zum Betrieb der Lifttrasse, Bau des Wasserspeicherbeckens, Anlage einer MTB-Strecke auf der alten Rodelbahn) mit einer flächendeckenden und zeitlich anhaltenden Beeinträchtigung zu rechnen.
Neben diesen Beeinträchtigungen durch bauliche Aktivitäten werden auch akustische und optische Störungen durch den Betrieb der Liftanlage und die vergrößerten Pisten hervorgerufen, die zu einer Vergrämung der bisher vorhandenen Tierarten im Vorhabengebiet führen. Es ist sogar mit einer Vergrößerung der durch den Betrieb der Liftanlage und der Pisten hervorgerufenen akustischen und optischen Störungen im Gegensatz zum Ist-Zustand zu rechnen, da sich in Folge der verbesserten Infrastruktur für Sport- und Freizeitaktivitäten auch die Frequentierung des Gebietes erhöhen wird. Die dadurch hervorgerufene Vergrämungswirkung in Bezug auf Tierarten ist nicht nur temporär, sondern dauerhaft. Daher gehen wir davon aus, dass durch das Vorhaben die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 BNatSchG erfüllt sind. Danach ist es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzuchts-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderzeiten erheblich zu stören oder Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu stören. Es ist hier von einer erheblichen Störung auszugehen, da sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Dies gilt hier gerade für Tiere mit einer geringen Population oder geringen Anzahl der Individuen (Uhu, Karmingimpel, Schwarzstorch, Raufußkauz, Sperlingskauz, Sperber, Großer Feuerfalter). Wandert bspw. nur ein Individuum des Uhus in Folge der durch das Vorhaben hervorgerufenen Störungen ab, so hat sich der Erhaltungszustand der lokalen Population nicht nur verschlechtert, sondern ist nicht mehr gegeben. Die Erhöhung der anthropogenen Einflüsse im Gebiet wirkt sich weiterhin auf Tierarten besonders aus, die scheu und empfindlich gegenüber Störungen sind, bspw. dem Schwarzstorch.
Eine Beeinträchtigung der Avifauna kann auch nicht unter dem Verweis ausgeschlossen werden, dass ein Betrieb der Liftanlage außerhalb der Brut- und Zugzeiten erfolgt. Zunächst einmal kann den zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht entnommen werden, in welchem Zeitraum der Betrieb der Liftanlage vorgesehen ist. Zum anderen sind im Planungsgebiet streng geschützten Arten vorhanden, die in einem frühen Zeitraum des Jahres brüten (Uhu Mitte März bis April, Raufußkauz März bis April). Eine Kollision von Brutzeiten und dem Betrieb der Liftanlage ist somit nicht generell ausschließbar sondern ist eher anzunehmen.
Weiterhin sind aus unserer Sicht geplante Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen mangelhaft bzw. unzureichend. Das Vorhaben stellt einen Eingriff in Natur und Landschaft i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG dar. Von dem Vorhaben gehen unvermeidbare Beeinträchtigungen auf den Naturhaushalt und auf das Landschaftsbild aus, die grundsätzlich vom Verursacher ausgeglichen werden müssen. Im Rahmen der Eingriffsbilanzierung wurde nachgewiesen, dass u. a. ein flächenmäßiger Ersatz von rund 2,5 ha erforderlich ist (Kompensationsmaßnahme Nr. 5), um den durch das Vorhaben hervorgerufenen Eingriff auszugleichen. Zunächst einmal liegt für die hier geplante Wandumwandlung noch keine Genehmigung vor. Es ergibt sich aus den zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht, an welcher Stelle außerhalb des Plangebiets die Kompensationsmaßnahme Nr. 5 durchgeführt werden soll, noch ob dadurch ein funktionaler Zusammenhang zum geplanten Eingriff gewährleistet wird. Es handelt sich um eine umfangreiche Maßnahme, die die Aufforstung einer Fläche von rund 2,5 ha vorsieht. Da die Kompensationsmaßnahme Nr. 5 hier eine wesentliche Bedingung für die Zulässigkeit des Vorhabens darstellt, ist diese im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens genau zu beschreiben und rechtlich zu sichern. Vorliegend besteht keine Genehmigung der Waldumwandlung noch kann der Vorhabenträger nachweisen, dass ihm eine Fläche von rund 2,5 ha zur Verfügung steht, um die geplante Kompensationsmaßnahme Nr. 5 durchzuführen. Daneben bestehen Zweifel ob der geplante Eingriff auch in zeitlicher Hinsicht ausreichend kompensiert werden kann. Die Durchführung der Kompensationsmaßnahmen (K 1, K 3, K 4, K 5, K 6) soll laut Anlage 2 zur UVP spätestens ein Jahr nach Beendigung der Baumaßnahme erfolgen. Dies bedeutet, dass die erforderlichen Kompensationsmaßnahmen erst spätestens ein Jahr nach dem Eingriff durchgeführt werden und somit eine zeitliche Differenz zwischen Eingriff und dessen Kompensation liegt. Ein Eingriff i. S. d. § 14 Abs. 1 BNatSchG ist jedoch erst ausgeglichen, wenn gem. § 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG nach seiner Beendigung keine erhebliche oder nachträgliche Beeinträchtigung des Naturhaushalts zurückbleibt und das Landschaftsbild landschaftsgerecht wiederhergestellt oder neu gestaltet ist. Die Erfordernisse liegen hier aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen dem Eingriff und seiner Kompensation nicht vor.
Wir halten die von der Planung beabsichtigten Kompensationsmaßnahmen auch aus anderen Gründen für unzureichend. Es wird angenommen, dass ein Rückbau der bestehenden Liftanlage als Ausgleichsbiotop für die beeinträchtigte Flora und Fauna dienen kann (Kompensationsmaßnahme Nr. 6). Die rückgebaute Trasse kann nicht als Ausweichbiotop angesehen werden, wenn mit deren Rückbau erst ein Jahr nach Beendigung des Baus der neuen Lifttrasse begonnen wird. Daneben finden sich widersprüchliche Angaben in den Planunterlagen zur späteren Nutzung der Fläche der rückgebauten Trasse. So ist für die ehemalige Trasse eine Weiternutzung als Wanderweg (Erläuterungsbericht S. 8) oder die Belassung einer Sukzessionfläche als Kompensationsmaßnahme vorgesehen. Sollte die rückgebaute Fläche als Wanderweg dienen, kann hier nur bedingt von einem Ausweichbiotop die Rede sein, weil hierdurch anthropogene Einflüsse hervorgerufen werden, die einer Eignung als ein Ausweichbiotop entgegenstehen.
Aufgrund des erwarteten höheren Publikumsverkehrs und dessen Beeinträchtigung der Flora und Fauna sollen sowohl Bautabuzonen als auch Schutzzonen nach Beendigung der Bautätigkeit ausgewiesen werden. Es ergibt sich jedoch nicht, wo diese Bautabuzonen und Schutzzonen im Plangebiet liegen. Wir fordern daher die Festsetzung der Bautabuzonen und der Schutzzonen vor der Erteilung des Planfeststellungsbeschlusses.
Zusammenfassung:
Das beantragte Vorhaben wird aufgrund der fehlenden Planrechtfertigung sowie fehlender untersuchter Alternativen abgelehnt. Weiterhin sind die vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unzureichend und können den Eingriff in den Naturhaushalt und die Landschaft nicht angemessen kompensieren.
Mit freundlichen Grüßen



Franziska Heß
BUND-Landesvorstand

Stellungnahme als PDF
 

Zur Übersicht

BUND-Bestellkorb