BUND Landesverband Sachsen

Nationalpark Sächsische Schweiz – quo vadis?

20. Juli 2021 | Naturschutz, Wälder

Der BUND Sachsen warnt vor einer schleichenden Zerstörung des Nationalparks Sächsische Schweiz, wenn Tourismus und Bewirtschaftung keine Grenzen gesetzt werden.

Tourismus und regionale Wirtschaft brauchen den Nationalpark Sächsische Schweiz – der Nationalpark braucht jedoch nicht den Menschen. So könnte kurz das derzeitige Spannungsfeld um den Nationalpark beschrieben werden. Zwar haben Klimakrise mit Dürren und Stürmen und der Borkenkäferbefall dem Waldbestand im Nationalpark stark zugesetzt. Doch für die Natur ist das kein Drama, wie sich im alten Teil des Nationalparks Bayrischer Wald eindrucksvoll zeigt. Hier haben die Wälder vom Borkenkäfer langfristig sogar profitiert, indem sie artenreicher und klimaangepasster - und für Besucher attraktiver - wurden.

Aktuell müssen im Nationalpark, dem bedeutendsten sächsischen Schutzgebiet, viele Wege gesperrt werden aufgrund der Gefahr von umbrechenden toten Bäumen. Und statt die natürliche Waldentwicklung als Teil der Entwicklung eines Nationalparks hinzunehmen, steigt der Druck von Seiten von Nutzerverbänden und verschiedenen politischen Mandatsträgern, die Wege möglichst schnell wieder zugänglich zu machen. Dass hierbei die sensible Natur der Sächsischen Schweiz dauerhaft Schaden nehmen könnte, wird offenbar billigend in Kauf genommen.

Dabei hat der Nationalpark schon heute eine für Nationalparks beispielslose Wegedichte, die allein schon massiv erschwert, dass der Nationalpark gemäß Bundesnaturschutzgesetz (§ 24 BNatschG) den „ungestörten Ablauf der Naturvorgänge in ihrer natürlichen Dynamik“ gewährleisten kann. Mit dem derzeitig steigenden touristischen Druck , der durch Projekte wie die Ortsumfahrung von Pirna noch weiter zunehmen dürfte, steht der Nationalpark am Scheideweg.

Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, erklärt hierzu: „Der Nationalpark ist Heimat zahlreicher Biotope und FFH-Lebensraumtypen in einem einzigartig dichten Komplex sowie für über 10.000 Arten, darunter u. a. sieben extrem seltene „Urwaldreliktarten“, von denen einige deutschlandweit nur dort vorkommen. Diese sind auf ungestört ablaufende Prozesse und „Urwaldrequisiten“, wie Totholz in hoher Dichte und Konstanz angewiesen. Seit Beginn der Borkenkäferkalamität hat sich die Brutdichte von Spechten vervierfacht. Wer immer jetzt mehr Zugang zum Nationalpark fordert, zerstört diese natürlichen Grundlagen des Nationalparks.“

So sind seit 2014 bei den störungssensiblen Vogelarten Schwarzstorch, Wanderfalke und Uhu überwiegend sinkende Brutpaarzahlen und Bruterfolge zu verzeichnen. Der scheue Luchs, einst Symboltier des Nationalparks, gilt mittlerweile als ausgestorben. Was sich hier im Verborgenen abspielt, ist leider nur zu wenigen bekannt. Denn einerseits führt der Personalmangel im Nationalpark zu fehlenden Erkenntnissen über die Veränderung der Naturausstattung, aber auch über die tatsächlichen Auswirkungen des Tourismus, die sich nur an massenhaft falsch geparkten Autos, zahlreichen illegal genutzten Pfaden und geschätzt 20.000 illegalen jährlichen Übernachtungen (Boofen) im Nationalpark, wo eigentlich die Natur den Vorrang hat, ablesen lässt. Andererseits fehlt schlichtweg das Personal, um die zahlreichen Besucher der Sächsischen Schweiz über die Naturschätze und deren Gefährdung aufzuklären. 

Ekardt fragt deshalb: „Quo vadis? Soll die Sächsische Schweiz ein Spaßpark oder ein Nationalpark sein? Ist er eine „touristische Destination der Superlative“ - wie es in einem offenen Brief u.a. von sieben Bürgermeistern der Region formuliert ist - oder ein letztes, für Deutschland einmaliges Refugium der Biodiversität, in welchem ein schonender, naturverträglicher Tourismus stattfindet? Wer aber ein Schutzgebiet will, muss es auch angemessen schützen - und diese Schutzmaßnahmen entsprechend, ggf. auch mit Wegsperren, umsetzen.“

Der BUND Sachsen fordert deshalb, dass

  • der Nationalpark als Schutzgebiet allerersten Ranges weiterentwickelt wird;
  • die beiden Teile des Nationalparks durch einen Korridor miteinander verbunden werden;
  • das Wegenetz auf den Prüfstand kommt mit dem Ziel, es deutlich zu reduzieren, um mehr Ruhezonen zu schaffen;
  • es eine verstärkte Besucherlenkung und -information durch mehr Ranger gibt;
  • Verkehrssicherung mit Augenmaß geschieht – und vorübergehende Wegesperrungen umgesetzt werden, wo es vertretbar ist – bis die Bäume von selbst umgestürzt sind;
  • Baumfällungen auf das absolut Nötige begrenzt werden;
  • bei Kletteraktivitäten größere Abstände zu Brutplätzen festgesetzt werden und diese allgemein auf ein naturverträgliches Maß angepasst werden;
  • freie Übernachtungen im Nationalpark deutlich eingeschränkt und langfristig ausgeschlossen werden.

Im Zuge der notwendigen Klima- und Mobilitätswende sowie einer damit verbundenen erforderlichen Regionalisierung des Tourismus werden sich die Flächennutzungskonflikte zwischen Natur, Tourismuswirtschaft und Bewirtschaftung verschärfen. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die alle Aspekte angemessen berücksichtigen. Der Nationalpark Sächsische Schweiz mit seinen sensiblen Lebensräumen und vom Aussterben bedrohten Arten darf dafür jedoch auf keinen Fall geopfert werden, schließt der BUND Sachsen.

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