BUND Landesverband Sachsen

Der Europäische Gerichtshof weist den Weg

30. April 2024 | BUND, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Suffizienz

Der Vorsitzende des BUND Sachsen Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt verfasst einmal monatlich einen politischen Kommentar. Hier ist die April-Ausgabe:

Felix Ekardt Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen ©BUND Sachsen

2018 haben der BUND und der Solarenergie-Förderverein (SFV) eine Klimaklage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingereicht – später unterstützt von weiteren Vereinigungen wie Fridays for Future und Greenpeace. Das Ergebnis war die historische BVerfG-Entscheidung von 2021: Deutschland muss mehr beim Klimaschutz tun, weil es zu einseitig der wirtschaftlichen Freiheit heutiger Generationen Vorrang gibt vor den Freiheiten künftiger Generationen. 2023 haben wir beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erstritten, das feststellt, dass die Bundesregierung immer noch zu wenig tut: Sie hält nämlich nicht mal ihre eigenen, unzureichenden Klimaziele ein.

Nun hat ein europäisches Gericht noch einen draufgesetzt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat an einem Beispielfall aus der Schweiz entschieden, dass der Schutz von Leben und Gesundheit gegen den Klimawandel verlangt, dass die Staaten die 1,5-Grad-Grenze für die globale Erwärmung aus dem Pariser Klima-Abkommen beachten. Der EGMR ist eine Art Ober-Verfassungsgericht für das gesamte geografische Europa. Dorthin kann man sich wenden, wenn Staaten Menschenrechte – also Freiheiten und Freiheitsvoraussetzungen wie Leben und Gesundheit – verletzen und auch die staatlichen Gerichte den Verstoß nicht abstellen. Die zugrunde liegende Europäische Menschenrechtskonvention ist überall in Europa verbindlich, nicht nur in der EU – auch in Deutschland.

Der EGMR geht dabei noch etwas weiter als das BVerfG. Denn er sagt klipp und klar: 1,5 Grad ist die maximale Grenze an noch tolerierbarer globaler Erwärmung, will man nicht katastrophale Folgen wie ständige massive Naturkatastrophen oder Nahrungs- und Wasserknappheit riskieren. Das BVerfG hatte demgegenüber 2021 noch anklingen lassen, dass vielleicht auch 1,75 Grad die Grenze sein könne, weil das Pariser Klima-Abkommen von „weit unter 2 Grad“ als Ziel spricht, wenngleich das Abkommen hinzufügt, dass die Staaten „Anstrengungen“ für 1,5 Grad unternehmen müssten.

Auch Bundesregierung und Bundestag müssen deshalb beim Klimaschutz jetzt massiv nachlegen. Unser Treibhausgas-Budget für 1,5 Grad haben wir nämlich nach den IPCC-Daten bereits jetzt erschöpft. Man kann anhand der 1,5-Grad-Grenze ein für Deutschland verfügbares CO2-Restbudget grob errechnen, basierend auf einer gleichen Pro-Kopf-Verteilung der noch möglichen Emissionen weltweit. Global gibt der Weltklimarat IPCC bei einer Einhaltungswahrscheinlichkeit von 83 % für 1,5 Grad ab dem 1.1.2020 ein globales Gesamt-Restbudget von 300 Gigatonnen CO2 an. Bei einem Pro-Kopf-Ansatz würde das für Deutschland, das ein Hundertstel der Weltbevölkerung stellt, verbleibende 3 Gigatonnen CO2 bedeuten. Die hätte Deutschland bereits jetzt verbraucht. Also brauchen wir beim Klimaschutz und fossilem Ausstieg eine rapide Beschleunigung.

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A.
Vorsitzender des BUND Sachsen
ferner: an der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik www.sustainability-justice-climate.eu
Juristische Fakultät, Interdisziplinäre Fakultät und Wissenschaftscampus Phosphorforschung, Universität Rostock

Sämtliche Publikationen, Medienbeiträge, Projekte und Vorträge von Felix Ekardt gibt es auch auf www.researchgate.net/profile/Felix_Ekardt

twitter.com/FelixEkardt

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