BUND Landesverband Sachsen

Klima Talk VI: Wohin geht die wilde Fahrt?

01. Oktober 2021 | Mobilität

Im Rahmen des diesjährigen 13. Umundu-Festivals sprach Staatsminister Martin Dulig im 6. Klimatalk zum Thema "Wohin geht die wilde Fahrt?" oder wo liegt die Zukunft der Mobilität?

Der deutsche Klimaschutzplan 2050 sagt, bis dahin soll Deutschland weitgehend treibhausgasneural sein, so wie es im Übereinkommen von Paris bestimmt ist. Verkehr für 1/5 aller Klimaemissionen verantwortlich, und macht ihn damit zu einem wichtigen Handlungsfeld im Klimaschutz. In Sachsen gibt es 2,5 Mio. Kraftfahrzeuge bei nur 4 Mio. Einwohnern. Immer wieder werden Bus- und Bahnlinien stillgelegt und allein im Bundesverkehrswegeplan 2030 70 neue Straßenbauprojekte geplant. Rad- und Fußverkehr spielen in der politischen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.

Anwesende Gäste:

Martin Dulig, sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA)

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Landesvorsitzender des BUND Sachsen e.V. (seit 2013) und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin

Prof. Dr. Udo Becker, Professor und Inhaber des Lehrstuhls für Verkehrsökologie der TU Dresden

Die Moderation übernahm Katja Hilbert. Sie ist freiberufliche Moderatorin.

Jetzt ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=IWrxR7CeGCw

Unsere Zusammenfassung für euch:

Vorbetrachtungen

Der Verkehr ist in Deutschland für zirka ein Fünftel der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Es kommt dabei aber sehr darauf an, wie es gerechnet wird. Werden nur die Autos berechnet? Was ist mit importierten Emissionen von außerhalb Sachsens, auch international? Wird der Ressourcenverbrauch mit einberechnet? So kommen auch deutlich höhere Annahmen von bis zu einem Drittel der Emissionen zu Stande. Fakt ist, die Emissionen im Verkehrssektor sinken nicht, auch nicht in Sachsen.

Strategie der Staatsregierung

Bisher wurde in Sachsen immer nur Politik aus Sicht der Frontscheibe gemacht. Auf Bundesebene wurde eine Abhängung Sachsens im Schienenverkehr verantwortet. Daher braucht es einen Aufholprozess, vor allem im Bereich Schienenverkehr, ÖPNV, Radwege und Fußwege. Im Straßenbau soll auf Neubau verzichtet werden, der Erhalt geht vor Neubau. Gerade im ländlichen Raum sollen mehr Menschen angebunden werden (v. a. durch Ausrollen des Plus- und Taktbusnetzes). Die ÖPNV-Flotte muss CO2-neutral umgebaut werden. Auch als „Automobilland“ könne Sachsen einen Teil zur Transformation leisten. Zur Lebensqualität in Sachsen gehöre aber auch Selbstwertgefühl durch gute Arbeitsplätze in der Automobilindustrie. Für die Transformation zum klimaneutralen Verkehr brauche es einen parallelen beginnenden Prozess aus Nachfrage der Bürger*innen einerseits und Angebote zu schaffen seitens der Politik.
Vor allem auch die Situation der Radverkehrs ist nicht zufriedenstellend. Früher gab es noch keine Selbstverständlichkeit für Mitplanungen von Radwegen an Staatsstraßen. Dafür gibt es jetzt eine Radverkehrskonzeption mit sehr großem Nachholbedarf. Doch die Komplexität ist enorm, Eigentumsfragen verzögern stark. Nicht alle Bundesmittel fließen ab aufgrund von Kapazitätsgrenzen an Planern. Jetzt erfolgt eine Priorisierung und u. a. der Ausbau des Radschnellwegenetztes wird vorangetrieben.

Verkehrsökologische Standpunkte

Es muss um Mobilitätsbedürfnisse gehen, dazu braucht es eine Gesellschaftswende. Das Auto ist am Ende nur ein Instrument. Sachsen soll nicht Autoland, sondern Land der Lebensqualität sein. Nötig sind Strukturen der kurzen Wege und lokale Wertschöpfung. Das ist auch eine gesellschaftspolitische Frage. Ziel muss es sein, weg von dem Kulturkampf zum Umsetzungskampf zu kommen.
Eine reine Antriebswende reicht nicht aus. Klimaneutralität heißt: keine Verbrennung fossiler Energieträger mehr. E-Autos brauchen auch viele Ressourcen. Mit aktuellem Strommix betriebene Flotten sind nicht klimaneutral, auch Ökostrom-Zertifikate sind keine Lösung. Grüner Wasserstoff wird eher in industrielle Prozesse fließen müssen und die Zeit drängt viel zu sehr. Vieles passt rein rechnerisch nicht. Echte Preise könnten Planungen und Rechnungen vorantreiben, gerade in der Industrie. „Der Markt“ wird dabei nichts regeln können, denn er ist weder ökologisch noch gerecht, solange Umwelt- und Gesundheitskosten nicht berücksichtigt werden und die Preise somit „lügen“. Massive Subventionierungen von fossilen Verkehrsträgern tragen dazu bei, dass mit Regionalität keine Wettbewerbsfähigkeit aufgebaut werden kann, gegenüber Produkten, die um den Globus transportiert werden. Die massiven Umweltschäden zahlen die Gesellschaft und die jungen Generationen, die Klimakatastrophe schreitet fort. Es braucht auch Regulatorik für Wettbewerbsfähigkeit. Der Abbau von Subventionierungen kann die regionale Wirtschaft stärken.
Mehr Regionalität und lokale Strukturen würden auch eine große gesellschaftliche Stärkung bewirken. Gleichzeitig können wiederum lokale Strukturen und kurze Wege gerade ärmere Menschen an Mobilitätskosten deutlich entlasten. Lieferservices per Fahrrad und Fuß werden möglich, die Gesellschaft braucht weniger Ressourcen. Mobilität muss ganzheitlich und langfristig gedacht werden. Dabei geht es für die Menschen auch um freie Entscheidungen, da Mobilitätszwänge („es geht ja gar nicht ohne Auto“) abgebaut werden, auch Kinder sollen eine Mobilitätsgarantie bekommen. An ökologischen Verkehrskonzepten profitieren vor allem die ärmeren Menschen, weil sie zu einer besseren Siedlungsentwicklung führen.

Standpunkt des BUND Sachsen

Das Pariser Klimaabkommen ist verbindlich, auch im Verkehrssektor. Dabei ist der Budget-Ansatz wichtig – mit dem Hinweis, dass der IPCC, welcher die Budgets berechnet hat, von sehr optimistischen Annahmen ausgeht. Die Klimaneutralität muss somit deutlich vor 2050 erreicht werden. Im Verkehr ist auch der Aspekt der Biosdiversitätsverlusts wichtig, da durch Straßen Lebensräume zerschnitten werden. Viele Dinge müssen auf höherer Ebene geregelt werden, um Verlagerungseffekte zu vermeiden. Das Wichtigste ist der Einsatz der Staatsregierung auf EU-Ebene. Auf der Planungsebene müssen allerdings die Länder die Verkehrswende umsetzen. Suffizienz muss dabei auch ein Leitziel im Verkehr sein.

 

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