Stellungnahme (Scopingunterlage) zur Ferkelaufzuchtanlage Stolpen

20. November 2020 | Landwirtschaft, Massentierhaltung, Naturschutz

Stellungnahme zur Festlegung des Untersuchungsrahmens der UVP (Scopingunterlage) zur Ferkelaufzuchtanlage der Stolpen Agro GmbH

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bedanken uns für die Übersendung der Unterlagen zum o.g. Verfahren und nehmen hiermit schriftlich Stellung.

Bezugnehmend auf die Kurzbeschreibung zum geplanten Bauvorhaben der Stolpen Agro GmbH möchten wir bereits einführend darauf hinweisen, dass der BUND Sachsen das geplante Vorhaben aufgrund seines Umfangs an negativen Umweltauswirkungen ablehnt. Zur Erhöhung der Tierplatzzahl auf 14.480 TP ist die Neuerrichtung eines Stallgebäudes, eines Güllebehälters einschließlich eines Abtankplatzes und Havariewalls, sowie einer Güllevorgrube geplant. Zudem soll eine Anlage zur Annahme und Lagerung von Getreide und Futtermitteln neu errichtet werden. Daraus wird deutlich, dass das Vorhaben zu einer erheblichen Vergrößerung der ehemaligen vor Ort betriebenen Schweinemastanlage führen würde und eine umfangreiche Flächenneuinanspruchnahme erfolgen soll. Daher ist ein Anstieg an negativen Umweltauswirkungen im Vergleich zur bisher bestehenden Anlage in einem beachtlichen Umfang zu erwarten. Im Fokus stehen dabei insbesondere Geruchs- und Lärmimmissionen im Hinblick auf die nächstliegende Wohnbebauung, die sich nur ca. 130 m entfernt befindet. Darüber hinaus fordern wir eine umfangreiche Betrachtung aller betroffenen Schutzgüter.

Allgemeines
Die Vorhabenträgerin hat bisher keinen konkreten Untersuchungsrahmen bezogen auf bestimmte Schutzgüter vorgeschlagen. Stattdessen kommt der Kurzbericht unter 9. Umweltverträglichkeitsprüfung (S. 14) zu dem Ergebnis, dass schädliche Auswirkungen durch die geplanten Änderungen an der Tierhaltungsanlage auf die Schutzgüter Mensch, Boden, Wasser, Luft, Klima sowie Kultur- und Sachgüter nicht zu besorgen seien. Diese Einschätzung kann nicht nachvollzogen werden und ist aufgrund der übersandten Unterlagen nicht plausibel ableitbar. Der Untersuchungsumfang der Umweltverträglichkeitsprüfung ist daher noch zu bestimmen und muss einen Rahmen bilden, um sämtliche von dem Vorhaben ausgehende negative Umweltauswirkungen ermitteln und bewerten zu können. Hierbei ist ein Untersuchungsrahmen zu wählen, der die Natura-2000-Gebiete, die ausweislich der Scopingunterlage in unter 3 km Entfernung vorhanden sind, einschließt, wobei ein besonderes Augenmerk auf Stickstoff- und Säureeinträge zu legen ist.

Sofern an den Planungen festgehalten werden soll, sind zwingend die folgenden Unterlagen zu erarbeiten:

  • Umweltverträglichkeitsprüfung
  • FFH-Verträglichkeitsprüfung
  • Artenschutzfachbeitrag
  • Beitrag nach der Wasserrahmenrichtlinie

Diese Unterlagen müssen auf wissenschaftlichen Grundlagen, d.h. aktuell erhobenen Fachdaten, basieren, um eine reale Abschätzung der projektspezifischen Auswirkungen des Vorhabens vornehmen zu können.

Zu 5.1 – Geruchsimmissionen
Bezüglich der zu erwartenden Geruchsimmissionen wird pauschal auf die Geruchsimmissionsprognose vom 08.01.2020 verwiesen, die zur Errichtung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Sondergebiet Schweinemastanlage Stolpen“ erstellt wurde. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass mit dem geplanten Vorhaben keine nachteiligen Auswirkungen in Bezug auf Geruch verbunden sind (unter 6., S. 19). Diesem Ergebnis wird widersprochen. Es bestehen sowohl Zweifel an der Ermittlung der Emissionen (s. 5.1), als auch deren Bewertung.

Unter 5.1 Ermittlung der Emissionen (S. 12) wird ausgeführt, dass die durch die geplante Abluftreinigungsanlage gereinigte Stallluft, die anschließend nach außen abgeleitet wird, nicht in die Ausbreitungsberechnung für Gerüche mit einbezogen werden müsse. Bei ordnungsgemäßem Betrieb der Anlage sei kein Rohgasgeruch (nach Schwein) im Reingas [der gereinigten Stallluft] wahrnehmbar. Außerdem würde die Abstandsregelung von 100 m zur nächstliegenden Wohnbebauung eingehalten, da sich diese in einer Entfernung von ca. 130 m befinde. Der Abstand ist bei einer derart großen Anlage zu gering bemessen, um von nicht wahrnehmbaren Geruchsemissionen auszugehen. Es bedarf daher einer Untersuchung, in welchem Umfang Geruchsemissionen vorliegen und welche Auswirkungen auf die angrenzende Wohnbebauung und die dort lebenden BewohnerInnen zu erwarten sind.

Darüber hinaus wird in der Geruchsimmissionsprognose darauf hingewiesen, dass die Abstandsregelungen nur angewandt werden können, wenn ein ordnungsgemäßer Betrieb der Abluftreinigungsanlage auf Basis des DLG Prüfrahmens der Abluftreinigungsanlage vorliegt. Dem hier vorgelegten DLG-Prüfbericht 5702 liegt ein Referenzbetrieb für durchgeführte Messungen von einem Schweinemaststall mit 240 Aufzuchtferkelplätzen und 520 Mastplätzen zugrunde (s. S. 4 und 5). Die Messungen haben daher nicht ansatzweise unter Bedingungen in den vom Vorhabenträger geplanten Dimensionen von 14.480 Ferkelaufzuchtplätzen stattgefunden. Bereits daraus ist offenkundig, dass die genannten Abstandsflächen nicht strikt angewandt werden können.

Auch die Wirkweise der Abluftreinigungsanlage, s. Ausführungen unter Kapitel 4.2, ist nicht nachvollziehbar dargestellt. Insbesondere stellt sich die Frage, wie „am Ausgang des biologischen Wäschers kein tierartspezifischer Geruch“ und stattdessen „ein als Waldboden spezifizierter Geruch“ wahrnehmbar sein soll.

Zudem wurde auch die geplante Güllevorgrube (D=5,0 m, H=5,0m) als irrelevante Quelle nicht mit einbezogen, was nicht nachvollzogen werden kann.

An der ordnungsgemäßen Ermittlung der Emissionen, insbesondere deren Minderung durch die o.g. Maßnahmen, bestehen daher Zweifel.

Aufgrund dieser Unstimmigkeiten sind die unter Kapitel 5.3 dargestellten Ergebnisse der Berechnung fraglich: So wird die Geruchsstundenhäufigkeit an der nächsten Wohnbebauung, Wohnhaus auf der Hauptstraße 3, Langenwolmsdorf, mit max. 8,4 %/a und an der nächsten Gewerbeeinheit in der Hauptstraße 5c, Langenwolmsdorf, mit max. 12,6 %/a angegeben. Diese Prognosen unterschreiten die Immissionswerte gemäß GIRL für ein reines Wohngebiet mit 10%/a sowie für ein Gewerbegebiet mit 15%/a nur geringfügig und sind aufgrund der oben aufgezeigten Gründe zu niedrig bemessen.

Zudem wird unter 5.1 darauf verwiesen, dass mit der Abdeckung des Güllelagerbehälters und der Ausrüstung aller Stallgebäude mit einer Abluftreinigungsanlage von einer starken Verringerung der zu erwartenden Geruchsemissionen auszugehen ist. Die geruchsmindernde Wirkung der Abluftreinigungsanlage ist jedoch bereits in der Geruchsimmissionsprognose enthalten. Eine weitere Reduktion ist daher gerade nicht zu erwarten.

Auch die geruchsmindernde Wirkung einer Abdeckung des Güllebehälters wird unter 4.3 nicht nachvollziehbar dargelegt. Aufgrund der Größe des Güllebehälters mit einem Innendurchmesser von 35,0 m und einer Höhe von 8,0 m, können erhebliche Geruchsemissionen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Insbesondere ist nicht plausibel dargelegt, wie die Geruchs-, Ammoniak- und Stickstoffemissionen um „>85 %“ (S. 8) minimiert werden sollen.

Im Ergebnis sind von dem Vorhaben ausgehende erhebliche Geruchsimmissionen zu erwarten.

Zu 5.2 – Lärmimmissionen
Unter 5.2 wird die Behauptung aufgestellt, dass sich die anlagenbezogenen Lärmimmissionen der Schweinemastanlage gegenüber dem Ist-Zustand nur unwesentlich verändern werden. Hier ist bereits fraglich, wieso bei einem Neuantrag eine Vergleichsbetrachtung angestellt wird. Diese Annahme kann aber auch abgesehen davon, insbesondere hinsichtlich der umfangreichen geplanten Neuerrichtungen, sowie dem Einbau einer zentralen Abluftreinigungsanlage nicht nachvollzogen werden. Die Vorhabenträgerin führt selbst aus, dass mit der neuen Anlage zur Annahme und Lagerung von Getreide und Futtermitteln Schallemissionen auftreten werden. Allein der Verweis darauf, dass bereits eine derartige Anlage auf dem technischen Stand der 1980-iger und 1990-iger Jahre vorhanden war und eine neue technische Einrichtung nach heutigem Standard wohl geräuschärmer arbeiten werde, reicht für eine fundierte Lärmbetrachtung nach den Vorgaben der TA Lärme ersichtlich nicht. Daher ist auch die Anlage zur Annahme und Lagerung von Getreide und Futtermitteln in die angekündigte Schallimmissionsprognose einzubeziehen.

Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass aufgrund der naheliegenden Wohn- und Gewerbebebauung in nur ca. 130 m Entfernung erhebliche negative Umweltauswirkungen in Form von Geruchs- und Lärmemissionen zu erwarten sind. Es muss daher ein geeigneter Untersuchungsrahmen für das Schutzgut Mensch bestimmt werden, der Geräuschauswirkungen, auch durch An- und Abfahrtverkehre, mit der gebotenen Sicherheit erfasst.

Zu 6. – Eingriffe in Natur und Landschaft/Bodenschutz
Hinsichtlich der Schutzgüter Natur und Landschaft, sowie Bodenschutz wurde kein Untersuchungsrahmen benannt. Stattdessen erfolgte der Bezug auf einen erarbeiteten Umweltbericht und eine Eingriffs- und Ausgleichsbilanzierung im Rahmen der Aufstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes „Sondergebiet Schweinemastanlage Stolpen, Alte Napoleonstraße“. Der Inhalt dessen wurde nicht vorgelegt, sodass keine inhaltliche Stellungnahme dazu abgegeben werden kann. Allein der Verweis auf die Ausführungen in einem nicht den Unterlagen beiliegenden Umweltbericht ist nicht ausreichend. Es bedarf daher einer Auslegung der entsprechenden Unterlagen spätestens im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. Im Übrigen sind für die hier in Rede stehenden Schutzgüter in einem Umgriff von 3 km zu ermitteln und zu bewerten.

Zu 7. – Umgang mit wassergefährdenden Stoffen
Die Vorhabenträgerin beabsichtigt die Errichtung eines Güllebehälters, einer Güllevorgrube und substratführender Leitungen, woraus die Gefahr des Austritts von Gülle und der Versickerung in den Boden folgt. Es ist jedoch kein Untersuchungsraum für das in diesem Zusammenhang potentiell betroffene Schutzgut Wasser angegeben. Insbesondere im Hinblick auf das südöstlich angrenzende Stillgewässer, sowie den in ca. 200 m Entfernung verlaufenden Langenwolmsdorfer Bach ist die Bestimmung eines ausreichenden Untersuchungsrahmens notwendig, um auch die Beeinträchtigungen des Schutzgutes Wasser (Gewässer und Grundwasser) entsprechend der Vorgaben der WRRL zu bewerten.

Es wird pauschal behauptet, dass zur Abdichtung zwischen Wand und Bodenplatte ein „geeignetes“ Fugenband eingebaut wird, ohne dessen Eignung darzustellen. Auch bestehen Zweifel an einer ausreichenden Größe der mit 6,00 m x 3,00 m bemessenen Abtankfläche für die Entnahme der Gülle. Zuletzt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der technischen Sicherungsmaßnahmen, um eine Überfüllung der Güllevorgrube oder des Güllebehälters zu verhindern, genügen.

Unter 4.3 wird auf den Havariefall Bezug genommen und die Gefahr der Ausbreitung der Gülle in Richtung nördlich des Bahndammes sowie östlich in Richtung des Langenwolmsdorfer Baches benannt. Es kann nicht nachvollzogen werden, wie diese Gefahr mittels eines geplanten Havariewalls gebannt werden soll. Insbesondere finden sich keine Angabe zu dessen Größe, sodass von der Ungeeignetheit der Maßnahme ausgegangen werden muss.

Zusammenfassend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gefahr des Gülleeintritts in den Boden mit entsprechenden Maßnahmen verringert bzw. beseitigt werden kann. Daher sind negative Umweltauswirkungen in Form von Beeinträchtigungen bzw. Schädigungen des Gewässerlebensraumes zu erwarten. Zur nachvollziehbaren Beurteilung dieser Eingriffe in den Gewässerlebensraum muss daher ein Fachbeitrag zur Wasserrahmenrichtlinie erstellt werden. Dieser dient der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den rechtlichen Anforderungen der WRRL und des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG).

Schutzgüter Pflanzen, Tiere, biologische Vielfalt
In den vorliegenden Unterlagen wurde kein Untersuchungsraum für die Schutzgüter Pflanzen und Tiere angegeben. Dieser ist notwendig, um die weitreichenden Auswirkungen auf die umliegende Tier- und Pflanzenwelt, insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Ammoniak- und Stickstoffemissionen aus der Gülle, zu bestimmen.

Vor allem ist die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung gem. §34 BNatSchG erforderlich. In dem Kapitel 2 „Standort und Umgebung der Tierhaltungsanlage“ wird dargestellt, dass sich das FFH-Gebiet „Wesenitz unterhalb Buschmühle“ (DE4949-302) in einer Entfernung von ca. 2,5 km nordwestlich des Plangebietes und das FFH-Gebiet „Polenztal“ (DE4950-301) in einer Entfernung von ca. 3,5 km südöstlich zu dem Vorhaben befindet. Auswirkungen auf Natura2000-Gebiete sind daher nicht von vornherein auszuschließen. Aufgrund der umfangreichen Vergrößerung der Anlage besteht vielmehr die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung der Erhaltungsziele der Natura2000-Gebiete insbesondere durch Stickstoff- und Säureeinträge. Es muss daher für diese Gebiete eine FFH-Verträglichkeitsprüfung vorgenommen werden.

Zudem ist auch ein Artenschutzfachbeitrag erforderlich. Die o.g. Neuerrichtungen erfordern eine Prüfung, inwieweit durch das Vorhaben die Belange des Artenschutzes berührt werden, die in § 44 BNatSchG verankert sind.

Zu 9. – Umweltverträglichkeitsprüfung
Die Annahme, dass schädliche Auswirkungen durch die geplanten Änderungen an der Tierhaltungsanlage auf die Schutzgüter Mensch, Bode, Wasser, Luft, Klima und Landschaft sowie Kultur- und Sachgüter nicht zu besorgen seien, ist nicht plausibel und im Übrigen für eine Scopingunterlage auch nicht tunlich. Anhand der o.g. Punkte wurde aufgezeigt, dass eine Beeinträchtigung der Schutzgüter Mensch, Pflanzen, Tiere, biologische Vielfalt, Wasser und Boden durchaus erwartbar und daher im Vorhinein zu überprüfen ist.

Wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme und bitten um weitere Beteiligung im Verfahren. Dabei behalten wir uns vor, weitere, nicht in dieser Stellungnahme genannte Inhalte im weiteren Verfahren vorzubringen.

Bitte informieren Sie uns insbesondere auch rechtzeitig von dem geplanten Scopingtermin.

 

Mit verBUNDenen Grüßen

 

 

Dr. David Greve
Geschäftsführer

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