BUND Landesverband Sachsen

Klima-Talk 5 mit Wolfram Günther

23. Juni 2021 | Energiewende, Klimawandel, Braunkohle

Online-Talk zum Thema „Klimawandel in Sachsen?“

BUND Sachsen

Am 22.06.2021 hatte der BUND Sachsen im Klima-Talk Wolfram Günther (Staatsminister für Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft) zu Gast. Mit ihm ins Gespräch kam Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen. Themen waren das neue Energie- und Klimaprogramm (EKP) Sachsen, das Klima-Urteil des BVerfG, Klimafolgen – im Speziellen Wassermangel, und Ökolandbau.

Die Aufzeichnung des Klima-Talks könnt Ihr hier ansehen:
YouTube-Kanal des BUND Sachsen


Hier könnt ihr die wichtigsten Positionen des Gesprächs nachlesen:

Energie- und Klimaprogramm (EKP) Sachsen

Wolfram Günther
bezeichnete das EKP als echten Paradigmenwechsel in Sachsen vor dem Hintergrund, dass das neue EKP die Bekenntnisse zu den Pariser Klimazielen, zu den nationalen Klimazielen und zur Klimaneutralität enthält, während das vorherige EKP noch Zeichen eines klaren Bekenntnisses zu Braunkohle war. Dabei sei das EKP noch nicht der Maßnahmenplan zur konkreten Umsetzung – dieser soll nun noch folgen. Als zentralen Punkt in der Zielsetzung wies er darauf hin, dass sich die Sächsische Staatsregierung mit dem neuen EKP als Rahmen für den Landesentwicklungsplan auch einen Rahmen für den Ausbau der erneuerbaren Energien setze und sich dazu verpflichten würde, auch Sektorenziele für die Bereiche wie die Landwirtschaft, die Mobilität u. a. zu definieren. Dies sei entscheidend, da Sachsen sich nicht auf der Emissionsreduktion aus der Deindustrialisierung nach 1990 ausruhen dürfe und auch nicht auf der Emissionsreduktion, welche sich automatisch aus dem Kohleausstieg ergibt.

Felix Ekardt dagegen wies auf widersprüchliche und unzureichende Zielsetzungen im EKP hin. So würde zwar das völkerrechtsverbindliche Pariser Abkommen aufgeführt, aber das Streben nach der Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze explizit fehle. Auch warnte er, dass die Orientierung an den nationalen Klimazielen fatal sei, da diese – selbst nach der Nachbesserung aufgrund des Klima-Urteils des BVerfG – nicht ausreichend seien. So würde es auch beim neuen Klimaschutzgesetz so sein, dass 91 % des durch den IPCC für die Einhaltung der 1.5-Grad-Grenze vorgegebenen Budgets bis 2031 aufgebraucht sein würden. Hier wies er auch darauf hin, dass der IPCC ziemlich großzügig rechnet, denn dieser geht davon aus, dass mit die mit dem vorgegebenen Budget verbundene Erreichungswahrscheinlichkeit von 67% ausreichend ist und auch kein genauer Erreichungszeitpunkt erforderlich ist – somit sei das eigentlich verfügbare Budget sogar noch kleiner. Er machte deutlich, dass mit dem jetzigen Entwurf des neuen Bundes-Klimaschutzgesetzes keine Generationengerechtigkeit erreicht werden kann, was sogar zu einer erneuten Verfassungsbeschwerde führen könnte. In dem Sinne sei es schade, dass Sachsen im neuen EKP keine über die nationalen Ziele hinausgehende Verantwortung übernimmt.
Zum Abschluss wies er auf die anstehenden Vorgänge auf EU-Ebene hin. So sei es von größter Bedeutung, dass Sachsen seine Chance nutzt, wenn die EU-Kommission am 20. Juli ihre Vorschläge für eine strengere EU-Klimaschutzpolitik vorlegt, denn die Mengensteuerung der fossilen Brennstoffe sei die Gretchenfrage.

Klima-Urteil

Wolfram Günther äußerte, dass man sich zwar an den Zielen auf der nationalen Ebene orientieren würde, aber Diskussion, ob das ausreicht, teilt. Es sei für Sachsen eine Zeitenwende, aber dass eine Beschleunigung notwendig ist, sei auch klar. Auch müsse man aufpassen, dass Sachsen nicht der Durchschnitt von Sachsen und der EU sei. So sei Sachsen weit unterdurchschnittlich in der Tierhaltung – es müsse also auch um die Themen Kreislaufwirtschaft und Stärkung der ländlichen Regionen gehen, sowie regionale Wertschöpfungskreisläufe. Der Fleischkonsum bzw. Konsum von Tierprodukten müsse runter gehen und Qualität vor Quantität stehen.
Das BVerfG setze den Rahmen auch für Sachsen, es gäbe aber noch kein auf die Länder heruntergebrochenes Budget. Hier sei die Wissenschaft gefragt, denn der Budgetansatz sei auch in vielen anderen Umweltbereichen notwendig. Man sei Teil einer Gesamtverantwortung.

Felix Ekardt wies darauf hin, dass das BVerfG-Urteil wegweisend sei. Auch bei anderen Umweltgütern wie beispielsweise Stickstoff müssten Budget-Ansätze kommen. Er betonte, dass fossile Brennstoffe und Tierhaltung zentrale Treiber von Klima- und Biodiversitätskrise seien. Er lobte die Akribie, mit denen in Sachsen jetzt viele Bereiche angegangen würden, aber für den BUND sei entscheidend, wie sich Sachsen auf EU-Ebene verhalten würde. Kleine Schritte könnten ins Leere laufen und Verlagerungen auslösen. Die Mengensteuerung der fossilen Brennstoffe auf EU-Ebene wäre der Rahmen, der gebraucht würde. Somit bringe Emissionshandel nur etwas mit Mengenziel. Er zweifle an, ob es wirklich sinnvoll sei, das Budget auf jeden einzelnen Sektor, jedes Land, jede Kommune herunter zu brechen, weil dann den regionalen Besonderheiten nicht Rechnung getragen würde. Der Emissionshandel würde dies homogenisieren, aber weitere Flankierungen seien nötig. Eventuell sei es sinnvoll, anstatt eines Budgets eher einen Rahmen von bis anzugeben.

Wolfram Günther ergänzte, dass die gute Nachricht sei, dass der CO2-Preis Wirkung zeige, so habe sich vor kurzem das Preisverhältnis EE/Braunkohle gedreht. Der Braunkohlekompromiss sei dabei auch keine Bestandsgarantie. Stolz sei er darauf, dass nun auch alle Sektoren in Sachsen heruntergebrochen würden laut EKP. Würde das nicht drinstehen, bräuchte Sachsen neben dem Kohleausstieg kaum noch etwas zu machen, um das 2030er Ziel zu erreichen – denn alleine mit der Abschaltung von [Jänschwalde] wäre Sachsen schon bei 59 % Emissionsminderung gegenüber 1990. Nun sei eine Unterfütterung mit Maßnahmen in den Sektoren ist wichtig. Für den rechtlichen Rahmen sei eine wilde Mischung aus Änderungen in Land, Bund, EU nötig. Sobald der Bund ab Herbst seine Planungen und Maßnahmen konkretisiert, würde dies auch auf Sachsen heruntergebrochen. Wichtig sei dafür auch der 2-jährliche Bericht über Sachsens Treibhausgas-Emissionen, der im EKP beschlossen wurde.

Wassermangel als Klimafolge in Sachsen

Zunächst stellte Felix Ekardt voraus, dass auch das Urteil des BVerfG bedauerlicherweise davon ausgeht, dass man in Teilen das Problem des Klimawandels durch Klimaanpassung lösen könne. Für den BUND Sachsen aber ginge es in Sachen Wassermangel in aller erster Linie um Klimaschutz, also Emissionsvermeidung. Sachsen müsse seine Hebel auf höheren Ebenen nutzen, um Verlagerungseffekte zu vermeiden. Bei reiner Ordnungspolitik (z. B. Festlegungen für Grenzwerte bestimmte Produkte) würden Rebound-Effekte nicht berücksichtigt. Zwar würden z. B. Autos und Heizsysteme immer sparsamer, aber die Autos und Wohnflächen immer größer, somit sei Mengensteuerung ist das ökologisch Sinnvollste. Dennoch seien auch Anpassungsmaßnahmen sinnvoll.

Wolfram Günther ordnete ein, dass durch die Dürrejahre in etwa ein Jahresniederschlag fehlt und auch die mit den Temperaturen steigende Verdunstungsrate ein großes Problem darstellt. Dabei zeigten Prognosen, dass es nicht die Gesamtniederschlagsmenge sei, sondern die Verteilung in Form von zunehmenden Extremwetterlagen das Problem würde. So müsse vor allem Wasserrückhaltung betrieben werden und das Schwammverhalten der Landschaft gefördert werden. Da das Thema alle betreffe, Wald, Landwirtschaft und Siedlungen, müssten sich auch alle dem Thema Regenrückhaltung stellen. Ziel der landesweite Wasserbewirtschaftung sei ein renaturiertes Wassersystem, das sich selbst wieder regulieren kann. Oft fehle es an übergreifendem Wissen und die Zusammenarbeit mit Bund und anderen Ländern sei notwendig. Alles müsse zusammengedacht werden: Hochwasserschutz, Wasserrückhalt und Ökologisierung der Gewässer. Dafür gäbe es eine Grundsatzkonzeption Wasserversorgung (Trink- und Brauchwasser), eine Wasserstrategie „Wasserrückhalt in der Fläche“, ein strategisches Wassermanagement in den Bergbaufolgeflächen, sowie eine Landesniedrigwasserkonzeption. Hier gäbe es wieter einen immensen Investitionsaufwand. Im Zusammenhang mit den Bergbaulandschaften wies er darauf hin, dass manche Fließgewässer nur noch aus Sümpfungswasser (Abpumpwasser) der Tagebaue gespeist werden. Gerne würde der Wegfall des Sümpfungswassers als Folge des Braunkohleausstiegs bezeichnet, dies wäre aber eher eine Spätfolge des Braunkohleeinstiegs durch Zerstörung des natürlichen Systems. Das alles habe einen hohen Preis, der im CO2-Preis in der Braunkohle noch nicht drinsteckt. Somit sei Kostenwahrheit bei der Braunkohle noch nicht hergestellt – und alle dürften die Folgen jetzt auf Jahrzehnte, ja sogar Jahrhunderte abbezahlen.

Felix Ekardt meinte, er würde dies sogar noch zuspitzen: Die wirklich dramatischen Folgen des Klimawandels seien noch nicht eingepreist – wenn es irgendwann in Richtung kriegerischer Auseinandersetzungen um Wasser ginge, würde die Kosten noch viel höher sein. Dies, forderte er, solle auch im Wahlkampf auch öfters gesagt werden. Somit sei es Realitätsverlust, über ein paar Cent im Spritbereich zu reden. Auch der ökonomische Fußabdruck, der künftigen Generationen hinterlassen würde, sei immens.

Ökolandbau in Sachsen

Wolfram Günther äußerte, dass das große Ziel weniger der Ausbau des Ökolandbaus sein müsse, erforderlich wäre eher eine Gesamtökologisierung der Landwirtschaft. Dafür müssten der Markt und Preise am Ende auch für die Betriebe funktionieren. Deutschland würde als Land, das prozentual am wenigsten seines Einkommens für Lebensmittel ausgibt, ein schlechtes Statement abgeben. So dürfe das Öl fürs Auto durchaus mehr kosten als das Öl, das über den Salat geschüttet wird. Eine andere Wertschätzung sei notwendig und eine Adressierung der Lebensmittelverschwendung. Pflanzliche Ernährung sei viel effizienter, auch durch deutlich weniger Wasserverbrauch. Leider würden die Verantwortlichkeiten wird immer hin und her geschoben zwischen Verbrauchern, Produzenten und Politik. So müsse es für Menschen, die sich komplett vegetarisch, biologisch und regional ernähren wollen, auch erstmal das Angebot geben. Dafür müsse nicht nur Feinkost, sondern auch die Basisversorgung in das regio-bio-System rein. Höhere Wertschöpfung müsse erzeugt werden, damit Landwirt*innen deutlich mehr Umweltleistungen erfüllen können (Gewässerschutz, Artenschutz, Bodenschutz u. a.). Auch mehr Tierschutz würde zu einer Extensivierung führen. Dafür würde sich die Staatsregierung mit einer Fülle an Maßnahmen einsetzen.

Felix Ekardt warnte, dass niemand wüsste, was wirklich bei der Überschreitung von 1,5 Grad passieren würde. Er äußerte, dass es eine Landwirtschaft mit null fossilen Brennstoffen und deutlich weniger Tierhaltung sowie sehr viel weniger Pestiziden braucht. Dabei wäre auch die Frage wichtig, was für eine Art von Ökolandbau wirklich auf Dauer verträglich sei. Eine möglichst weite Ausbreitung sei wichtig. Auch müssten die Menschen von dem Privileg wegkommen, dass Essen in Deutschland quasi nichts kostet. Es brauche ein Umdenken, dass Essen einen Wert hat. Es sei dabei eine Henne-Ei-Frage, wer eigentlich der Hauptakteur des gesellschaftlichen Wandels wäre, die Politiksphäre oder die Sphäre der Verbraucher*innen und Konsument*innen. Es gäbe sehr viele Akteure mit unterschiedlichen Interessen. Die Politik könne nicht handeln, wenn sie immer unter dem Druck stehe, abgewählt zu werden und Verbrauer*innen würden auch zu einem gewissen Teil zu ihrem Konsum-Verhalten nicht gezwungen werden. Es brauche somit einfach ganz viel gesellschaftlichen Druck. Er richtete einen Appell an die jungen Leute, nicht nur auf Demos zu gehen, sondern sich auch politisch zu engagieren. Es ginge auch nicht Zeichnung eines tollen Manifests, sondern darum, in die Parteien reinzugehen – oder in die Verbände.

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