BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zum Änderungsgenehmigungsverfahren Flughafen Leipzig/Halle

23. April 2015 | BUND, Lebensräume, Mobilität, Stellungnahmen

Die beantragte Änderung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Leipzig Halle wird vom BUND Sachsen abgelehnt.

Stellungnahme zum Änderungsgenehmigungsverfahren Flughafen Leipzig/Halle


Sehr geehrte Damen und Herren,

der BUND Sachsen bedankt sich für die Beteiligung im o.g. Verfahren. Gemeinsam mit der BUND Regionalgruppe Leipzig erheben wir nachfolgend Einwendungen und äußern uns als Träger öffentlicher Belange des Umweltschutzes, zu denen vorliegend in erster Linie die Belange des Lärmschutzes zählen.

Die beantragte Änderung der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Leipzig Halle wird vom BUND Sachsen abgelehnt.

Begründung

Die beantragte Änderungsgenehmigung ist abzulehnen, da für die beantragten Änderungen der Betriebsgenehmigung weder ein Bedarf für die Änderungen besteht (I.), noch bei Änderung der Betriebsregelung in der Umgebung des Flughafens der gebotene Schutz vor Lärm entsprechend der bestandskräftigen Regelung des Planfeststellungsbeschlusses sichergestellt ist (II.). Soweit die Flughafen Leipzig Halle GmbH (FLHG) dem durch einen Antrag auf Verschlechterung des planfestgestellten Umgriffs der maßgeblichen Lärmschutzzone und Absenkung der Vorgaben für die Dimensionierung des passiven Schallschutzes zu begegnen versucht, ist dies als Abkehr von dem bisherigen Problemlösungsmodell der Planfeststellungsbehörde abzulehnen.

Daneben verweist der BUND Sachsen darauf, dass eine Nachvollziehbarkeit der beabsichtigten Änderung durch die Betroffenen nicht gewährleistet ist, da wesentliche Unterlagen, die zur Beurteilung notwendig sind, im Rahmen der öffentlichen Auslegung nicht zur Verfügung gestellt worden sind. Dies gilt in Hinsicht auf die bereits ergangene luftrechtliche Planfeststellung vom 4.11.2004 inklusive deren Änderungen. Der BUND regt an, generell und unabhängig vom hier betrachteten Genehmigungsverfahren der Öffentlichkeit die wesentlichen Unterlagen (Beschlüsse, Karten usw.) in elektronische Form im Internet zur Verfügung zu stellen. Dies entspricht der gängigen Praxis und trägt zum besseren Verständnis innerhalb der Öffentlichkeit bei (vgl. z.B. die umfangreiche Dokumentation für den BER unter www.mil.de). Ohne die vollständigen Grundlagen ist es höchst schwierig, die beantragten Änderungen zutreffend einzuordnen.

I. Kein Bedarf für beantragte Änderungen

Mit Schreiben vom 07.05.2012 beantragte die FLHG zunächst, die Nebenbestimmung in A II 4.7.2. wie folgt zu ergänzen:

Ebenso sind von diesen Regelungen ausgenommen Triebwerksprobeläufe, die aus witterungsbedingten oder aus sonstigen zwingenden technischen Gründungen der Nichtnutzbarkeit des Triebwerkprobelaufstandes nicht im Triebwerksprobelaufstand stattfinden können. Dies gilt für Triebwerksprobeläufe zur Nachtzeit nur, wenn diese aus zwingenden betrieblichen, insbesondere das Luftfahrzeug betreffenden umlaufbedingten Gründen nicht zur Tagzeit durchgeführt werden können. Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH hat den Ort, die Uhrzeit und die Gründe der Durchführung von Triebwerksprobeläufen außerhalb des Triebwerksprobelaufstandes aufzuzeichnen und der Luftaufsichtsbehörde vorzulegen.

Nach weiterer Begründung des Antrags in 2014 hat die FLHG den Antrag mit Schreiben vom 15.01.2015 wie folgt erweitert:

„In Nr. A II 4.7.2 Satz 2 und Satz 3 sollen die Worte ,in keinem Fall' durch die Worte ,im Mittel nicht' ersetzt werden.“

Zu der Antragsergänzung wird in einem eigenständigen Kapitel Stellung bezogen. Die beantragte Änderung auf Zulassung von TPL zur Nachtzeit außerhalb der TPL-Halle kann bereits deshalb nicht genehmigt werden, weil hierfür der gebotene Bedarf vollständig fehlt.

1. Anforderungen an die Zulassung nächtlicher TPL

Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Bedarfs für die beantragten TPL ist die Darlegung eines Bedarfs, der am Tage nicht befriedigend abgewickelt werden kann. Derart dargelegte Verkehrsinteressen bedürfen in einem zweiten Schritt der Abwägung mit den besonderen Lärmschutzinteressen der Anwohner, resultierend aus § 29 b Abs. 1, Satz 2 LuftVG bzw. § 8 Abs. 1 Sätze 3 und 4 LuftVG.

Dabei gilt für die Nachtkernzeit nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG, dass die Zurückdrängung des Lärmschutzinteresses in den Kernstunden der Nacht einer gesteigerten Rechtfertigung bedarf (vgl. Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 53 m.w.N.). Erforderlich ist ein standortspezifischer Nachtflugbedarf, der im Unterschied zur Mehrzahl der anderen deutschen Flughäfen einen unbeschränkten Nachtflugbetrieb zu rechtfertigen geeignet ist. Ein allgemeines Verkehrsbedürfnis reicht demgegenüber nicht aus, um diesen Verkehren die Möglichkeit zum Nachtflugbetrieb zu bieten (Urteil vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 71 unter Bezugnahme auf Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 271; Urteil vom 04.04.2012, 4 C 3.10, Rn. 284 - juris). Einen standortspezifischen Nachtflugbedarf hat der zuständige 4. Senat bisher - abgesehen von besonderen Bedarfslagen wie Regierungs- oder Katastrophenschutzflügen - ausschließlich für Frachtflüge zum Transport von Expressfracht anerkannt (Urteile vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 53 und vom 24. Juli 2008 - 4 A 3001.07 - BVerwGE 131, 316 Rn. 59; Urteil vom 04.04.2012, 4 C 3.10, Rn. 285 - juris). Hinsichtlich des Linien-, Charter- und Touristikverkehrs hat er demgegenüber die Verhältnisse auf den meisten deutschen Flughäfen mit nächtlichen Flugbeschränkungen als Beleg dafür gewertet, dass sich dieser durchweg ohne existenzgefährdende Einbußen außerhalb der Kernzeit der Nacht abwickeln lässt. Jedenfalls was den Flughafen Leipzig/Halle anbetraf, konnten nach Auffassung des Senats Verkehre, die nicht dem Transport von Expressfracht dienen, die Durchführung von Flugverkehr in der Nachtkernzeit grundsätzlich nicht rechtfertigen (Urteile vom 9. November 2006 a.a.O. Rn. 68 und vom 24. Juli 2008 a.a.O. Rn. 61, Urteil vom 04.04.2012, 4 C 3.10, Rn. 285 - juris).

Das Bundesverwaltungsgericht hat auch in der für die Zulassung von Flugbewegungen in den sog. Nachtrandstunden maßgeblichen Entscheidung zum Ergänzungsplanfeststellungsbeschluss für den Flughafen BER einen klaren Maßstab formuliert (vgl. Urteil vom 13.10.2011, 4 A 4000/10, Rn. 48 ff.):

„Für die Nutzung der Nachtrandstunden, also die Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr und 5:00 bis 6:00 Uhr, ist ein standortspezifischer Bedarf nicht erforderlich. Auch die Durchführung eines Flugbetriebs in den Nachtrandstunden bedarf im Rahmen der Abwägung im Hinblick auf § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG jedoch einer besonderen Begründung. Starts und Landungen dürfen nicht ohne erkennbare Notwendigkeit gerade in diesen Zeitraum - und damit außerhalb der unter Lärmgesichtspunkten weniger problematischen Tagesstunden - gelegt werden. In den Nachtrandstunden und hier insbesondere in der Zeit zwischen 22:00 und 23:00 Uhr besitzt der Lärmschutz allerdings nicht dasselbe hohe Gewicht wie in der Nachtkernzeit. Daraus folgt, dass sich plausibel nachgewiesene sachliche Gründe, weshalb ein bestimmter Verkehrsbedarf oder ein bestimmtes Verkehrssegment nicht befriedigend innerhalb der Tagesstunden abgewickelt werden kann, im Zuge der Abwägung gegen die Belange des Lärmschutzes durchsetzen können. Solche Gründe können sich z.B. aus den Erfordernissen einer effektiven Flugzeug-Umlaufplanung, aus den Besonderheiten des Interkontinentalverkehrs (Zeitzonen, Verspätungen, Verfrühungen) oder aus dem Umstand ergeben, dass der Flughafen als Heimatflughafen oder Wartungsschwerpunkt von Fluggesellschaften deren Bedürfnisse nachvollziehbar nicht ausschließlich in den Tageszeiten abdecken kann (Urteil vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 287 f.).

Für die Ermittlung und Gewichtung des Nachtflugbedarfs in den Nachtrandstunden bedeutet das: Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines Nachtflugbedarfs ist die Darlegung einer Nachfrage nach Nachtflugverkehr. Das gilt jedenfalls für die planbaren Verkehre, insbesondere den Passagier- und Frachtverkehr. Nachtflugbedarf kann sich zwar nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen; eine entsprechende Bedarfslage muss aber bei vorausschauender Betrachtung in absehbarer Zeit mit hinreichender Sicherheit erwartet werden können (Urteile vom 20. April 2005 - BVerwG 4 C 18.03 - BVerwGE 123, 261 <271 f.>, vom 16. März 2006 a.a.O. Rn. 282 und vom 9. Juli 2009 - BVerwG 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17). Die Bedienung der Nachfrage muss zudem von den Planungszielen, die die Anlegung oder den Ausbau des Flughafens gerechtfertigt haben, umfasst sein. Eine Nachfrage nach Verkehren, für die der Flughafen nicht geplant wurde, kann die Zulassung von Nachtflugbetrieb von vornherein nicht rechtfertigen.“

Vorliegend bleibt bereits unklar, in welche Zeitscheibe der Nacht die TPL fallen sollen. Da dies nicht weiter aufgeklärt wird, ist anzunehmen, dass in der gesamten Nacht entsprechende TPL stattfinden sollen.
Festzustellen ist zunächst, dass die vorgenannte Rechtsprechung auf TPL entsprechend anzuwenden ist, da § 29b Abs. 1 Satz 2 LuftVG, auf dessen Grundlage das BVerwG diese Anforderungen entwickelt hat, an § 29b Abs. 1 Satz 1 LuftVG anknüpft, der wiederum bereits ausweislich seines Wortlauts auch den Betrieb der Luftfahrzeuge am Boden erfasst. Zum damit in die Schutzwirkung der Norm einbezogenen Bodenlärm zählen unstreitig auch die TBL.

2. Kein Bedarf für nächtliche TPL außerhalb des TPLS

Die Antragsbegründung enthält weder standortspezifische Gründe für die Durchführung nächtlicher TPL außerhalb der Halle, noch werden plausible Gründe geltend gemacht, die eine Zurückdrängung der Lärmschutzinteressen der Anwohner rechtfertigen könnten.

Die FLHG macht mit ihrem Antrag vom 07.05.2012 lediglich geltend, dass eine Ausnahmeregelung für „seltene“ Ereignisse geschaffen werden müsse, damit TPL auch zur Nachtzeit außerhalb des TPLS durchgeführt werden, wenn dieser nicht genutzt werden kann. Dies soll witterungsbedingt der Fall sein oder auch durch zwingende, unvorhergesehene technische Gründe oder Störungen, die eine Benutzung des TPLS ausschlössen. Dies wird zwar – nahezu wortgleich – mehrfach wiederholt, allerdings nicht konkretisiert, um welche konkreten Gründe es sich handeln soll. Ergänzt wird lediglich, dass die Planfeststellungsbehörde bei Erlass der Regelung in Teil A II 4.7.2 davon ausgegangen sei, dass der TPLS „die Nutzung zur Durchführung von TPL immer gestatte“. Dass dies nicht der Fall sei, habe die Behörde also sozusagen übersehen, als sie den damaligen Antrag der FLHG auf ausschließliche Durchführung der TPL in der Halle auch in diesem Sinne verstanden habe.

In der Zwischenzeit hat sich erwiesen, dass die Triebwerksprobelaufhalle auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle, die dem Stand der Wissenschaft und Technik entspreche, nicht in der Lage sei, bei jeder Witterung und bei jeden Windverhältnissen die für Flugzeug und Bedienungspersonal gefahrlose Durchführung von Triebwerksprobeläufen zu gewährleisten. Auch nach Sanierung der Triebwerksprobelaufhalle und der Zertifizierung ihrer Eignung für alle auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle eingesetzten Flugzeugmuster sowie der Einweisung des Bedienungspersonals für die Durchführung von Triebwerksprobeläufen in der Halle habe sich ergeben, dass ein Anteil von ca. 20 % an Triebwerksprobeläufen (ausweislich der vorgelegten statistischen Darstellungen über die Durchführung von Triebwerksprobeläufen in den Jahren 2011 bis 2014 auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle) außerhalb der Triebwerksprobelaufhalle durchzuführen sei.

Zum ersten Argument ist zu sagen, dass Witterung und Wind nun einmal Umweltbedingungen sind, mit denen sich die Fluggesellschaften abfinden müssen. Dementsprechend ist es ihnen bei bestimmten Wetter- und Windbedingungen auch nicht möglich, zu fliegen. Dies begründet aber keinen Anspruch auf Zulassung von Nachtflugbetrieb. Nichts anderes kann für die TPL gelten. Wetterbedingte Restriktionen gehören zum typischen Risiko jeder Luftfahrtgesellschaften und können deshalb nicht in der Lärmbetroffenen aufgebürdet werden,

Voraussetzung für die Durchführung von Triebwerksprobeläufen zur Nachtzeit soll nach dem Antrag der FLHG und seiner Begründung sein, dass aus witterungsbedingten oder aus sonstigen zwingenden technischen Gründen die Nichtnutzbarkeit des Triebwerksprobelaufstandes zur Durchführung von Triebwerksprobeläufen feststeht. Hinzutreten müsse für die Durchführung von Triebwerksprobeläufen zur Nachtzeit, dass diese aus zwingenden, d.h. im Einzelfall unabweisbaren betrieblichen, umlaufbedingten Gründen erforderlich seien, weil die Triebwerksprobeläufe nicht auf den Tag verschoben werden können.

Unter die technischen Gründe soll offenbar auch der Fall zählen, dass der TPLS gerade durch ein anderes Luftfahrzeug genutzt wird, jedenfalls gibt der Antrag bzw. eine entsprechende Regelung eine solche Interpretation her. Was sonstige zwingende technische Gründe sein sollen, wird nicht erläutert und erschließt sich aus sich heraus auch nicht. Der Hinweis darauf, dass die FLHG aus den mit den Nutzern des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle geschlossenen Verträgen schadensersatzpflichtig sein könne, wenn sie keine Möglichkeit bereithalte, auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle in der Zeit zwischen 22:00 bis 06:00 Uhr bei nachweislich zwingenden betrieblichen Gründen Triebwerksprobeläufe durchführen zu lassen, ist nicht von Belang. Was für Verträge die FLHG mit ihren Nutzern schließt, ist ihr Problem. Dass sie diesen versprechen konnte, dass TPL auch nachts außerhalb des TPLS durchgeführt werden können, gibt die bisher geltende Betriebsgenehmigung jedenfalls nicht her. Sofern die FLHG ihren Nutzern vertraglich anderes zugesagt hat, hat sie dies in Kenntnis der geltenden Regelungen und damit auf eigenes Risiko getan.

Im Übrigen zeigen die Ausführungen der FLHG, dass von einer Garantie, stets und immer, zu jeder Zeit und bei jedem TPL durchführen zu können, ohnehin keine Rede sein kann. Danach hat sie vertraglich die Garantie übernommen, dass sie zur Tag-, insbesondere aber auch zur Nachtzeit, „die Funktionsfähigkeit des Luftfrachtdrehkreuzes auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle sicherstellt“. Die Durchführung von Nachtflugbetrieb sei auf dieser Basis gestattet und vom BVerwG anerkannt. Nach Auffassung der Flughafen Leipzig/Halle GmbH zählt hierzu (also zum zugelassenen Nachtflugbetrieb) jedenfalls in den vom Ergänzungsantrag der Flughafen Leipzig/Halle GmbH erfassten Ausnahmefällen, auch die Durchführung von Triebwerksprobeläufen außerhalb des Triebwerksprobelaufstandes, wenn dieser die ihm zukommende Funktion nicht erfüllen könne.

Die FLHG geht hier von mehreren offensichtlich falschen Annahmen aus. Zunächst mag dahinstehen, ob das BVerwG in seinen Urteilen vom 09.11.2006 und vom 24.07.2008 ausdrücklich auch die Durchführung nächtlicher TPL im Blick hatte und ob diese nach der ursprünglichen Regelung auch außerhalb hätten stattfinden können. Jedenfalls hat die FLHG nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses die nun geltende Regelung selbst beantragt, sodass sie ihr gegenüber bestandskräftig ist. Wie sich den Gründen des Bescheids entnehmen lässt, war die Frage, ob TPL auch außerhalb der Halle stattfinden können, durchaus Gegenstand der Diskussion, wurde aber von der FLHG nicht gewünscht. Selbst wenn also die Durchführung nächtlicher TPL außerhalb des TPLS ursprünglich gestattet war, wurde diese Regelung wieder rückgängig gemacht. Zum Zweiten ist nicht erkennbar, dass die Funktionsfähigkeit des Luftfrachtkreuzes von der jederzeitigen Verfügbarkeit von TPL abhinge. Dies ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass die FLHG selbst vorbringt, es handele sich um seltene Ereignisse. Seltene Ereignisse dürften aber wohl kaum die Funktionsfähigkeit des Expressfrachtdrehkreuzes beeinträchtigen. Die FLHG verkennt also auch, dass nach der Rechtsprechung das hier offenkundige Streben nach Schaffung „optimaler“ Voraussetzungen nicht geeignet ist, die Lärmschutzinteressen der Anwohner zu überwinden. Dies gilt gerade mit Blick auf die ohnehin intensive Nutzung der Nachtkernzeit, für welche das BVerwG das Unterbleiben jeden einzelnen Fluges als für die Anwohner relevant bezeichnet hat.

Nichts anderes als die Schaffung optimaler Nutzungsbedingungen für die Luftverkehrsgesellschaften hat die FLHG aber im Sinn, wenn sie verlangt, dass bei allen Wind- und Wetterbedingungen TPL möglich sein müssen. Einen Nachweis dafür, warum eine Durchführung der TPL bei Nichtnutzbarkeit des TPLS nicht im Tagzeitraum möglich sein soll, liefert die FLHG nicht, sie versucht dies nicht einmal. Sie behauptet lediglich, bei Nichtnutzbarkeit des TPLS könnten die TPL nicht in den Tag verschoben werden und will hierfür im Einzelfall dann „unabweisbare betriebliche, umlaufbedingte Gründe“ anführen. Betriebliche und umlaufbedingte Gründe für eine mangelnde Möglichkeit der Verschiebung von TPL in die Tagzeit rechtfertigen aber nach dem Maßstab des BVerwG zweifelsfrei keine TPL in der Nachtkernzeit. Ob diese Gründe unabweisbar sind, wie die FLHG meint, ist nicht ihrer Einschätzung, sondern der Wertung der Behörde vorbehalten. Konkrete betriebliche oder umlaufbedingte Gründe hat die FLHG jedenfalls nicht geltend gemacht. Damit bleibt sie die entscheidende Anforderung des BVerwG schuldig. Es wird mit keinem Wort erläutert, wieso die TPL zwingend auf die Nutzung der Nachtzeit angewiesen sind und diese TPL nicht auch befriedigend innerhalb des Tages abwickelt werden können.

Ein Beispiel lässt sich aber dem Lärmgutachten 2015 entnehmen. Dort wird verwiesen auf den Fall einer infolge Vogelschlags beschädigten B 777, deren Triebwerk über Nacht ausgewechselt wurde und die umlaufbedingt am nächste Morgen wieder starten sollte, zuvor aber vorgeschriebenermaßen einen TPL durchführen musste. Die zuständige Behörde hat zu Recht die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für einen TPL zur Nachtzeit außen abgelehnt. Dieser Fall belegt sehr eindrücklich, dass entgegen dem Gebot der größtmöglichen Rücksichtnahme auf die Nachtruhe der Bevölkerung den Nutzern des Flughafens optimale Entfaltungsmöglichkeiten geschaffen werden sollen. Die FLHG möchte den Fluggesellschaften eine Einhaltung der Umlaufplanungen auch dann ermöglichen, wenn ein Flugzeug aus dieser Planung wegen eines Schadens bereits herausgefallen ist. In solchen Schadensfällen (siehe zu einem vergleichbaren „Grund“ für die nächtlichen TPL außen auch die Stellungnahme der DHL) liegt die Ursache für Störungen in der Umlaufplanung nicht in der mangelnden Verfügbarkeit des TPLS, sondern darin, dass ein Luftfahrzeug auf einen TPL angewiesen ist, das nach den entsprechenden Zeitplänen zum fraglichen Zeitpunkt hierfür nicht vorgesehen war, weil es eine technische Störung oder einen Schaden hatte. Insofern ist maßgeblich, dass die TPL vorausschauend selbstverständlich in die Umlaufplanungen eingebunden sind und damit mit geplant werden. Benötigt ein Luftfahrzeug einen TPL zu einem Zeitpunkt, an dem ihm der TPLS nicht zur Verfügung steht, dann muss es eben warten. Wer einen Unfall hat, kann auch nicht erwarten, dass er sofort im Krankenhaus behandelt wird, nur weil er am nächsten Tag morgens schnell wieder los muss. Ebenso muss man beim Arzt oder in einem guten Restaurant nun einmal warten, wenn man keinen Termin oder Tisch reserviert hat. Dass man beides – aus welchen Gründen auch immer – nun plötzlich doch sofort „braucht“ (besser gesagt: haben will), hilft üblicherweise nicht weiter. Eine entsprechende Forderung wird von niemandem ernst genommen und dies zu Recht. Diese bewusst überzeichnete Darstellung beruht auf dem auf unserer Seite bestehenden Unverständnis angesichts von Antragsunterlagen, in deren Begründung von einem Bedarf für die TPL zur Nachtzeit außerhalb des TPLS nicht einmal im Ansatz die Rede sein kann, da ein solcher bereits nicht behauptet wurde. Betriebliche Erfordernisse oder die Umlaufplanung der Airlines können für eine mehrmals im Monat auftretende Verlärmung der Nachtkernzeit mit 40 (!) Maximalpegelereignissen von 1,5 min Dauer von vornherein nicht herangezogen werden, sonstige Gründe, die es ausschließen könnten, mit dem TPL zu warten, bis der Tag angebrochen ist, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Insbesondere liegen ersichtlich keine kapazitiven Engpässe vor. Dass die Kapazität des TPLS erschöpft wäre, kann kaum angenommen werden. Im Jahr 2012 fanden auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle insgesamt 367 Triebwerksprobeläufe statt; es ist also etwa ein Triebwerksprobelauf pro Tag (24 Stunden) durchgeführt worden. Im Jahr 2013 wurden auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle insgesamt 408 Triebwerksprobeläufe durchgeführt, also im Durchschnitt etwa ein Triebwerksprobelauf pro Tag. In den Monaten Januar bis August 2014 waren auf dem Verkehrsflughafen Leipzig/Halle 222 Triebwerksprobeläufe durchzuführen, also durchschnittlich ca. ein Triebwerksprobelauf pro Tag. (vgl. Antragsbegründung vom 09.10.2014). Legt man zugrunde, dass ein TPL nach Angaben der FLHG nur 1 Stunde dauert und rechnet noch je eine Stunde Vor- und Nacharbeiten mit, ist evident, dass die Kapazität des TPL ausreichend ist, um irgendwann an einem Tag noch 1 oder 2 TPL zusätzlich zu dem bereits durchschnittlich durchgeführten unterzubringen – hierbei wurden die 2 in der Nachtzeit denkbaren TPL gar nicht mitgerechnet.

Auch die von den Hauptnutzern angesprochenen Aspekte begründen einen Bedarf nicht. Es mag sein, dass entsprechend dem Vortrag von DHL der Ausfall eines Flugzeuges mit 25t oder 40t Fracht dazu führt, dass die Zustellung von 3000 bis 6000 Briefen ausfällt (richtiger wohl: sich verspätet), aber dies passiert ebenso, wenn dem ausliefernden LKW ein Unfall widerfährt oder er in einem längeren Stau steht. Davon bricht nicht die Logistikkette zusammen, sondern es ist eine von vielen Unstimmigkeiten und Unvorhersehbarkeiten, die Unternehmen, welche in vertakteten Ketten agieren nun einmal treffen können. Dass diese hieraus einen Anspruch auf Zurückdrängung schutzwürdiger Lärminteressen ableiten könnten, hat die Rechtsprechung verneint, da niemand Anspruch auf optimale Entfaltungsmöglichkeiten hat. Keine andere Beurteilung erlaubt die Einlassung der Airologic, die von einem signifikanten Standortnachteil und Wettbewerbsnachteil spricht. Hier sind keine Flughäfen bekannt, an denen nachts TPL außerhalb eines TPLS durchgeführt werden dürfen. Auch darf unterstellt werden, dass mit solchen Verspätungen durch betriebliche oder sicherheitstechnische Gründe das Luftfahrzeug betreffend auch die von Airologic angesprochenen Wettbewerbern zu tun haben und die von der Gesellschaft beschriebenen Folgen für die Logistikkette bei anderen Luftfahrtgesellschaften an anderen Flughafen ebenso auftreten. Airologic verlangt deshalb keine Gleichbehandlung, sondern einen Standortvorteil, der es ihr erlauben soll, auch solche Verzögerungsursachen, die in ihrer alleinigen Risikosphäre liegen, zu vermindern.

Die beantragte Änderung des Verbotes nächtlicher TPL außerhalb der Halle ist damit bereits mangels Glaubhaftmachung eines standortspezifischen Bedarfs nicht genehmigungsfähig. Eine weitere Konkretisierung der erhobenen Einwendungen und Bedenken zum Bedarf an der fraglichen Änderung behalten wir uns ausdrücklich für den Erörterungstermin vor. Hier erwarten wir auch noch nähere Erläuterungen der unvollständigen Antragsunterlagen.

II. Verschlechterung der Schallschutzziele des Planfeststellungsbeschlusses

Auch die zweite beantragte Änderung, die sich bei der richtigerweise zu erwartenden Ablehnung des Ausgangsantrages ohnehin erledigt haben dürfte, ist nicht genehmigungsfähig.

Die FLHG beantragt, der Nebenbestimmung in Teil A II 4.7.2 folgende Fassung zu geben:

Triebwerksprobeläufe dürfen am Flughafen Leipzig/Halle in der Nacht (22.00 bis 6.00 Uhr) im Mittel nicht (bisher: in keinem Fall) an der Grenze des unter A II.4.2.2. des Planfeststellungsbeschlusses festgelegten Nachtschutzgebietes zu einem A-bewertetem Maximalpegel von mehr als 50 dB(A) außen führen.

Innerhalb des unter A II. 4.2.2 des Planfeststellungsbeschlusses festgelegten Nachtschutzgebietes dürfen Triebwerksprobeläufe am Flughafen Leipzig/Halle während der Nachtzeit (22.00 bis 6.00 Uhr) im Mittel nicht (bisher: in keinem Fall) zu einem A-bewertetem Maximalpegel von mehr als 35 dB(A) im Wohnungsinneren führen.

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