BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zum Bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren nach § 52 Abs. 2a i.V.m. § 57a BBergG für das Vorhaben „Erzbergwerk Pöhla“ auf der Gemarkung Pöhla der Stadt Schwarzenberg/OT Pöhla, LK Erzgebirgskreis

03. März 2020 | Stellungnahmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen e.V., nimmt zum o. g. Vorhaben wie folgt Stellung.

 

Die SME AG beantragt bis 2037 (perspektivisch jedoch darüber hinaus, um vollständige Ausbeutung sicherzustellen) den Abbau einer polymetallischen Skarnlagerstätte zur vorrangigen Gewinnung von Zinn und Wolfram. Das Bewilligungsfeld umfasst rund 40 ha inkl. Lagerstättenaufschluss, untertägigem Abbau, Transport der Erze über Tage sowie deren Aufbereitung, Errichtung und Betrieb einer Halde und aller erforderlichen Nebenanlagen. Dies schließt Abwassereinleitungen in Pöhlwasser und Luchsbach mit ein. Letztgenannter muss aufgrund der Haldenwirtschaft erneut verlegt werden, was einen Eingriff in ein geschütztes Einzelbiotop bedeutet. Das Vorhaben liegt vollständig im Naturpark „Erzgebirge/Vogtland“, dessen Entwicklungsziele dem geplanten Abbau eindeutig entgegenstehen. Die Fläche ist derzeit mit Wald und Wiesen bestanden, die teilweise das Ergebnis der vorangegangenen Renaturierung des Wismut-Bergbaus sind. Am Vorhabengebiet liegen weiterhin an das FFH-Gebiet „Pöhlwasser mit Wernitzbächsel“ mit 4 LRT im Untersuchungsraum sowie verschiedene Einzelbiotope nach § 21 SächsNatSchG.

Aktuell besteht ein offenes Raumordnungsverfahren parallel zum Eröffnungsverfahren des Rahmenbetriebsplans, um das Vorhaben durch ein integriertes Zielabweichungsverfahren verwaltungsrechtlich abzusichern.

 

Das Vorhaben wird abgelehnt.

 

Begründung:

  1. Planerische Zielkonflikte
  2. Das Abbauvorhaben der SME AG widerspricht den Festlegungen des gültigen Regionalplans Südwestsachsen 2008; die Raumnutzung sieht hier ein Vorranggebiet von Natur und Landschaft i. S. d. Arten- und Biotopschutzes vor. Ähnliches gilt für die Vorgaben aus Kapitel 4 des sächsischen LEP. Dort wird eine bergliche Nutzung des Areals ausgeschlossen. Das Luchsbachtal ist bereits durch den Wismutbergbau beschädigt und mit rund 16 Mio. € saniert worden. Die Inanspruchnahme nicht ausgleichbaren Lebensraums im Naturpark (NP) „Erzgebirge/Vogtland“ (u.a. Abholzung, Versiegelung, Aufhaldung mit mehreren mio. t Aufbereitungsabfällen) ist nach BNatSchG und § 8 Naturpark-VO (Handlungsverbot in Schutzzonen I und II) abzulehnen. Der Eingriff in die Schutzzone II betrifft die Hangwälder, welche im Zuge der Aufschüttung umgebaut werden. Der NP stellt ein nach § 27 BNatSchG und § 17 SächsNatSchG gesichertes Gebiet dar, welches überwiegend LSG oder NSG ist und der nachhaltigen Regionalentwicklung dient. Eine Erlaubnis zur Entnahme von Bodenbestandteilen ist nur nach § 9 II Nr. 4 NP-VO möglich – diese sollte nicht erteilt werden. Die SME AG geht zwar davon aus, dass sie den Anliegen des Regionalplans durch die Renaturierung der Betriebs- und Haldenflächen nach Betriebseinstellung Rechnung tragen kann, dies würde aber eine Zielverschiebung bis nach 2040 bedeuten!

    Wird trotz dessen eine Zulassung ausgesprochen, könnte Pöhla zu einem Referenzobjekt für weitere Bergbauprojekte werden, die eine Genehmigung erhalten, obwohl sie klar nicht genehmigungsfähig sind.
     

  3. Beeinträchtigung des Tourismus
    Nach Angaben des Vorhabenträgers können die Lärm- und Feinstaubimmissionen bis zum Schaubergwerk „Zinnkammern“ spürbar sein. Gleichzeitig wird behauptet, dass der neuerliche Aufschluss eine „einmalige Chance, modernen Bergbaubetrieb neben den historischen Sachzeugen des Altbergbaus zu entwickeln und damit die touristische Attraktivität für die Region zu erhöhen“ ist. Inwiefern Abholzung, Überbauung mit Hallen, Aufschüttung mit Gesteinsbruch und Aufbereitungsresten zur touristischen Anziehung beitragen sollen, bleibt absolut unverständlich. Die Aufbereitungsanlage wird z. B. auf bis jetzt extensivem, artenreichen Grünland stehen; rund 29 ha Wald werden gerodet (betroffen ist auch der LRT 9110 auf 2,7 ha); auf 12,6 ha Hangwald wird Waldumbau betrieben und 4 ha Wiese werden überbaut. Hinzu kommt die Verlegung von Wanderwegen, welche bis jetzt noch durch Wald mit besonderer Erholungsfunktion führen. Für die Verlegung der Wander- und Forstwege werden weitere Schneisen gerodet. Gerade die Lage in einem Vorbehaltsgebiet „Natur und Landschaft“ mit Schwerpunkt Landschaftsbild und -erleben widerspricht der Argumentation des Vorhabensträgers. Durch die dauerhafte Haldenaufschüttung um 40 m kommt es zu einem schweren Eingriff, welcher u. a. auch zur Talverkürzung führt und die Baumartenzusammensetzung durch die veränderten Standortbedingungen beeinflusst. Der Charakter des Luchsbachtales wird demnach grundlegend verändert: die Umweltauswirkungen sind mind. 30 Jahre (Abbauphase), die Reliefveränderung (auf 30 ha Aufschüttung um 40 m) dauerhaft wirksam. Hangwaldfläche verschwindet, der Luchsbach wird auf 2 km verlegt.
     

  4. Auswirkungen auf Oberflächenwasserkörper

    Bei der notwendigen Sümpfung fallen bis zu 171 m3/h an, welche laut Vorhabenträger nur direkt in das Pöhlwasser eingeleitet werden können. Hier wird aber abzuwarten sein, welche Laborergebnisse nach der Wasseruntersuchung vorliegen und ob eine Aufbereitungsanlage nicht doch nötig wird. Mittel- bis langfristig fallen bei den Grubenabwässern rund 300 m3/h an. Durch den speziellen geogenen Hintergrund ist das Grundwasser grundsätzlich radiumhaltig; zusätzlich sind Messstellen zur Arsenbelastung in der Vorflut vorgesehen.

    Im Pöhlwasser sind Äsche und Bachforelle beheimatet; die Auswirkungen der Einleitungen aus dem Bergbaubetrieb auf ihren Lebensraum und die somit mögliche Gefährdung der ansässigen Populationen ist unklar. Im Schnitt erhöht sich der Durchfluss um 10%. Ins Pöhlwasser wird derzeit diffus über Bergbauwässer und Haldensickerwässer Arsen eingetragen. Das Gewässer befindet sich in einem schlechten chemischen Zustand und einem mäßigen ökologischen Zustand, was u.a. dem Nachweis von PAK und Quecksilber(-verbindungen) geschuldet sein dürfte. Der OWK Pöhlwasser-2 ist insgesamt nur eingeschränkt durchgängig (2 Wehre) und aufgrund starker anthropogener Gewässerstrukturveränderungen in seiner Morphologie unbefriedigend. Es ist nicht davon auszugehen, dass den Anforderungen der WRRL Genüge getan wird, in dem in ein bereits (chemisch) geschädigtes Gewässer mögliche weitere Schadstoffe eingeleitet oder vorhandene erhöht werden. Denn die WRRL fordert ausdrücklich, dass der Zustand eines Gewässers verbessert werden soll (bis 2027 muss ein „guter Zustand“ erreicht sein), gleichzeitig besteht ein Verschlechterungsverbot. Die Gefahr einer Verschlechterung besteht aber ganz eindeutig, da das Gruben- und Sümpfungswasser der Ausbaustufen 2 bis 4 ohne Vorbehandlung ins Pöhlwasser eingeleitet werden sollen. In der Ausbaustufe 2 ist mit einer Frachtzunahme von Arsen zu rechnen; Ausbaustufe 3 wird höhere Mengen Mangan und Uran enthalten. Mangan und Arsen wirken toxisch, letzteres reichert sich in Sediment an, was v.a. bei dauerhafter Einleitung problematisch werden könnte – unabhängig davon, dass offenbar aktuell von einer Unterschreitung der Grenzwerte ausgegangen wird. Ein langfristiges Monitoring ist notwendig. Für Phenanthren (WGK 3) sind überhaupt keine Messdaten vorhanden, was nicht nachvollziehbar ist. Die reine Vermutung, es komme nur in geringen Mengen vor, reicht nicht aus. Hier gilt das Vorsorgeprinzip.

    Durch die geplanten Einleitungen in den Luchsbach ist eine Beeinträchtigung des Bachbiotops durch Sedimente und Schwebstoffe möglich. Eine Aufbereitung der Wässer halten wir für zwingend erforderlich; Sedimentationsbecken und Speicherbecken sind durch die SME AG geplant.

    Die aktuelle wasserrechtliche Erlaubnis ermöglicht 35 m3/h und soll auf 55 m³/h erhöht werden. Seit dem Probebetrieb werden die Grenzwerte des pH-Wertes und der AFS überschritten. Ebenso ist ein erhöhter Eintrag von PAK und IR-KW zu verzeichnen. Die SME AG plant Gegenmaßnahmen, welche jedoch noch nicht genauer benannt werden konnten. Dies ist umgehend nachzuholen.
     

  5. Artenschutz: Schwerpunkt Schmetterlinge und Reptilien

    Auf den betroffenen artenreichen Wiesen wurden durch mehrmalige Begehung 67 Schmetterlingsarten, davon 24 besonders geschützt (bg) und 17 auf der Roten Liste (RL), aufgefunden. Schmetterlinge sind teilweise hochspezialisiert und von ganz speziellen Futterpflanzen zur Eiablage und Raupenentwicklung abhängig. In den vergangenen Jahrzehnten gingen in Deutschland wiesenabhängige Arten um mehr als 2/3 zurück. Eine Umsiedlung bzw. Neuetablierung erfordert komplexe Maßnahmen und ist nicht gesichert erfolgreich.

    Zu Beginn des Vorhabens werden die Falter faktisch großflächig durch die Überbauung verdrängt. 1,7 ha sollen als Tabufläche abgegrenzt werde, 3,9 ha werden neu angelegt. Da allerdings keine Arterfassung der Pflanzen erfolgte, bestimmte Schmetterlingsvorkommen aber an spezielle Pflanzen gebunden sind, ist die Wirksamkeit dieser Maßnahme anzuzweifeln. Einige Beispiele zur Untermauerung:

    -Trauermantel (bg): saugt an blutenden Bäumen, Fallobst und Weidenkätzchen; Raupen leben gesellig an Birken und Weiden; fast überall selten geworden; benötigt feuchte Laubwälder und kühle Gebiete
    -Kaisermantel (bg): an blütenreichen Waldlichtungen und -rändern; zur Eiablage werden Kiefern und Fichten in der Nähe von Veilchen bevorzugt; Raupen ernähren sich hauptsächlich von verschiedenen Veilchenarten
    -Kleiner Feuerfalter (bg): Raupe bevorzugt Sauerampfer, Falter saugt an Roß-Minze und Berg-Aster; lebt an offenen sandigen Stellen

    Die Aussage im vorliegenden Gutachten, die Vorkommen der Falterarten würden sich auf den Wiesen-/ Offenlandbereich konzentrieren, ist falsch. Die größte Konzentration an Arten findet sich an den Wegsäumen und Waldrändern im hinteren, bergseitigen Teil der ehemaligen Halde, insbesondere in luftfeuchten Bereichen am Luchsbach.[1] Neben dem Vorkommen der bedrohten Schmetterlingsarten an sich, ist besonders die Dichte ihres Auftretens auf kleinem Raum hervorzuheben. Es wird schwerlich möglich sein, einen solch komplexen, über viele Jahre natürlich entstanden Lebensraum adäquat zu ersetzen. Schmetterlinge sind Lebensraum- und Nahrungsspezialisten; das Eintreten von Verbotstatbeständen ist in hohem Maße wahrscheinlich. Die vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind weder qualitativ noch quantitativ geeignet, Verbotstatbestände auszuschließen. Die bislang vorliegenden Ableitungen von Maßnahmen sind nicht konkret genug. Im Fazit bedeutet dies: wahrscheinlicher Totalverlust von 24 besonders geschützten Arten.

    Ein Eintritt der Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG ist bzgl. Kreuzotter und Zauneidechse zu erwarten, da der Eingriff in die betroffene Fläche (vorderer Haldenbereich) kurz nach einem möglichen Nachweis (Begehung noch offen) erfolgt und damit keine Zeit für CEF-Maßnahmen bleibt. Ein entsprechendes Zeitfenster besteht nur für die hintere Halde.

    Die Kreuzotter (bg, stark gefährdet) benötigt Lebensräume mit starken Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht und pflegt traditionelle Paarungsplätze. Ihre Standorttreue macht sie anfällig für Lebensraumverlust.

    Die Zauneidechse (geschützt nach Anh. IV FFH-RL) besiedelt halboffene, wärmebegünstigte Lebensräume mit lockerem, gut wasserdurchlässigem Boden und einem Mosaik aus besonnten Stellen und Versteckplätzen. Als Nahrung dienen der Zauneidechse verschiedene Insektenarten und deren Larven, Spinnen und Asseln, aber auch andere Gliedertiere. Durch Flächenverlust, Verlust an kleinflächig gegliederten Lebensräumen und Steigerung der Nutzung in Land- und Forstwirtschaft ist sie besonders gefährdet.[2]

    Aufgrund dieser Betroffenheiten wäre also eine Ausnahmegenehmigung für den vorderen Haldenabschnitt notwendig. § 44 Abs. 4 BNatSchG erlaubt dies aber nur unter der Bedingung, dass sich der Zustand der lokalen Population unter der Bewirtschaftung nicht verschlechtert. Da nicht einmal Schutzmaßnahmen vorgesehen sind, sondern mit Hinweis auf einen Zeitplan die Tötung der Tiere auf dem vorderen Haldenabschnitt mutwillig in Kauf genommen wird, ist die Ausnahmegenehmigung unbedingt zu versagen!

    Als Kritik ist zusätzlich anzumerken, dass weder für Pflanzen noch für Pilze (der UNB bekannt ist ein erhebliches Vorkommen des Kirschroten Saftlings) Arterfassungen erfolgt oder vorgesehen sind; es liegen demnach keine Erkenntnisse über besonders oder streng geschützte Arten vor. Sie sind demzufolge auch nicht in die Bewertung des Vorhabens aus artenschutzrechtlicher Sicht eingegangen.
     

  6. Artenschutz: Schwerpunkt Säugetiere und Vögel

    Gefährdet von den Bautätigkeiten ist u. a. die Haselmaus, streng geschützt und in Anhang IV der FFH-Richtlinie gelistet. Sie ist streng an Gehölze gebunden und damit besonders von Tötung oder Zerstörung ihrer Fortpflanzungs- und Ruhestätten betroffen. Ihr Vorkommen ist nachgewiesen. Der Vorhabenträger sieht Umsiedelungsmaßnahmen vor. Allerdings gelten Haselmäuse als ortstreu; Reviere umfassen 0,5 - 0,7 ha. Lücken von mehr als 6 m im Gehölzbestand können bereits Zerschneidungseffekte haben. Das Zielgebiet sollte lichter Laub-Mischwald von mind. 20 ha Größe sein. Aufgrund der Ortstreue und geringen Mobilität der Haselmaus sinkt die Eignung der Maßnahme deutlich ab, wenn die Maßnahmenfläche weiter als 500 m von der betroffenen Lebensstätte entfernt ist.[1] Die Maßnahmen zum Schutz (CEF 3 bis 6) sollten unbedingt durch ein Monitoring begleitet werden.

    Von den Waldrodungen betroffen ist möglicherweise die Zweifarbfledermaus, eine nach Anhang IV der FFH-Richtlinie geschützte Art, die ihre Sommerlebensräume in Baumspalten verlieren könnte. Für sie sollen Ersatzspaltenquartiere bereitgestellt werden. Hier merken wir kritisch an: Bei Fledermäusen kommt es nicht auf den Schutz eines einzelnen Baumes, sondern auf die Funktion des Verbundes an, da sie die Höhlenbäume regelmäßig wechseln (Bundesverwaltungsgericht, 06.11.2012 – 9 A 17.11). Um Fällungen auszugleichen, werden häufig Fledermauskästen eingesetzt. Die Beurteilung der Bayerischen Koordinationsstellen für Fledermausschutz dazu:

    „Die Ergebnisauswertung zeigt, dass die Kastengruppen nicht immer besiedelt sind und nur selten zur Reproduktion genutzt werden: Wochenstuben oder Jungtiergruppen wurden nur in 17% aller Kastengruppen nachgewiesen. Weitere 42% wurden zumindest regelmäßig von einzelnen Fledermäusen oder Paarungsgruppen bezogen. In den übrigen Fällen (41%) konnten allenfalls sporadisch Einzeltiere angetroffen werden. Als entscheidende Faktoren für die Besiedlung erwiesen sich Alter und Größe einer Kastengruppe sowie ein bereits bestehendes Angebot älterer Kästen: Kleine Kastengruppen (bis zehn Kästen) werden deutlich seltener von Fledermäusen genutzt als große Gruppen (über 30 Kästen). Ältere Kästen (sechs bis zehn Jahre oder älter) wiesen höhere Besiedlungsgrade auf als jüngere. Fehlten ältere Kästen vor der Anbringung der neuen Fledermauskästen, wurden in den ersten zehn Jahren in deutlich weniger Kastengruppen überhaupt Fledermäuse nachgewiesen; Wochenstuben traten hier gar nicht auf.“[2]

     

    Es wurde eine Kartierung der Brutvögel vorgenommen, die jedoch noch ergänzt werden muss, da die Begehung der betroffenen Umbauflächen zu spät im Jahr erfolgte. (Kommende Begehungen sollten zwischen März und Juni stattfinden.) Für einige Arten wurden Vermeidungsmaßnahmen erarbeitet (z. B. für Braunkehlchen, Hohltaube und Neuntöter). Andere erfasste Arten werden bisher jedoch nicht berücksichtig: Grauspecht (sg, stark gefährdet), Uhu (sg), Schwarzspecht (sg), Habicht (sg), Kuckuck (bg, Vorwarnliste), Sperber (sg), Waldkauz (sg), Waldohreule (sg) und Waldschnepfe (bg). Die geplanten Ersatznisthilfen für Baumhöhlenbrüter decken nicht alle artgebundenen Bedürfnisse ab (einige Beispiele):

    -Uhu: Halbhöhlen- oder Freibrüter, baut selbst kein Nest. Als Brutplätze nutzt er Felsen, Steilhänge, Steinbrüche, Kies- und Sandgruben. Störungsarme Brutnischen mit Überhängen und freie Anflugmöglichkeiten sind wichtig
    -Waldschnepfe: bevorzugt strukturreiche Laub-, Misch- und Kiefernwälder mit standortfeuchten Bereichen; Bodennest befindet sich meist am Rande eines geschlossenen Baumbestandes zu Lichtungen, die einen freien Anflug ermöglichen
    -Sperber: brütet in gehölzreichen Landschaften mit ausreichendem Kleinvogelangebot; Brutplätze liegen häufig in jüngeren Nadelholzbeständen (z. B. Fichte, Lärche); Nest wird vor allem in Bäumen mit horizontalen Seitenästen gebaut; bleibt häufig seinem Brutplatz treu[1]

    Allgemein werden wald- und wiesenbewohnende Arten durch langanhaltenden Lebensraumverlust, Unruhe und Staub geschädigt. Die geplante Wiederbewaldung während des Haldenbetriebes schafft zwar neue Biotope, die aber einer stetigen Störung durch Betriebslärm und Betriebsaktivitäten unterliegen und der Ansiedlung von biotoptypischen Tierarten entgegenwirken.

    Für die Erstellung des Artenschutzfachbeitrages wurden Daten zwischen 2014 – 2019/20 genutzt; aktuell sind noch Erfassungsergebnisse offen – wir bitten um Weiterleitung, sobald diese vorliegen.
     

  7. Betroffenheit des FFH-Gebietes "Pöhlwasser mit Wernitzbächel"

    Stolln 19 wird im o.g. FFH-Gebiet geöffnet und befindet sich zusätzlich in der Nähe eines Bodenschutzwaldes. Der Stolln ist bedeutsam für die Sümpfung bzw. die lokale Grundwasserabsenkung. Die Einleitung der Grubenwässer ins Pöhlwasser wird bislang ohne Behandlung vorgesehen, da eine Schadstoffbelastung als unwahrscheinlich erachtet wird. Hier muss jedoch gelten: Sicherheit vor Sparsamkeit. Ein Verzicht zur Aufbereitung kann nur nach eindeutigen Laborergebnissen erfolgen.

    Weiterhin soll das betriebsbedingt abgepumpte Wasser (durch Sümpfung oder bei der Erzaufbereitung anfallendes Abwasser) über das Pöhlwasser in den Luchsbach geleitet werden, wodurch das FFH-Gebiet direkt betroffen ist. Zum Schutz aller Pflanzen- und Tiergesellschaften im und am Wasser ist eine Beeinträchtigung durch Schadstoffe, Veränderung der Wasserqualität oder extreme Veränderung der Quantität auszuschließen. Der Luchsbach selbst ist aktuell von erhöhter Mineralisation und hohem Nickel- und Arsengehalt durch den Zufluss der Haldensickerwässer, Grubenwasser aus dem Pöhlastolln und der Wasserbehandlungsanlage betroffen. Unverständlicherweise wurde die Uranbelastung nicht untersucht. 

    Es ist kritisch anzumerken, dass zur Erstellung der FFH-Vorprüfung ausschließlich Datenmaterial zwischen 2011 und 2014 genutzt wurde. Eine Vorortbegehung zur Kontrolle der aktuellen Lage und Begutachtung der Lebensräume (besonders des prioritären LRT 91E0*) wäre angemessen gewesen. Der genannte LRT (Erlen-Eschen- und Weichholzauenwälder) ist besonders gefährdet durch den Gewässerausbau bzw. die erweiterte Nutzung sowie Schadstoffeinträge. Nach der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschlands (RIECKEN et al. 2006) werden Weichholzauenwälder mit natürlicher oder naturnaher Überflutungsdynamik als „von vollständiger Vernichtung bedroht“ eingestuft und werden als kaum regenerierbar eingeschätzt. Problematisch für den Lebensraumtyp sind v. a. der Gewässerausbau, der zu Änderungen des hydrologischen Regimes führt, der Eintrag atmogener Schadstoffe, anthropogene Eingriffe und Störungen sowie Habitatfragmentierung.[1] Geeignete Maßnahmen zum Schutz sind besonders der Nutzungsverzicht sowie Erhalt/Wiederherstellung einer naturnahen Abflussdynamik und eines gebietstypischen Wasserhaushalts. Gerade letztgenannte Punkte stehen dem Nutzungsinteresse der SME AG am Pöhlwasser/dem Luchsbach entgegen.
     

  8. Wald, Boden, Klima, Biotope

    Die SME AG stellt einen Antrag auf Waldumwandlung für 31 ha, um die Luchsbachhalde sowie die neu geplante Halde realisieren zu können. Alle diese Waldflächen sind mit besonderer Hochwasserschutzfunktion ausgewiesen; hinzu kommt Wald mit Bodenschutzfunktion. Das nördliche und südliche Luchsbachtal wird im Regionalplan als Schwerpunktgebiet für Erosionsschutz genannt. Besonders gefährdet sind die Steilhangbereiche. Da die bewaldeten Hänge ein Vorranggebiet „Natur und Landschaft“ darstellen, müssen alle anderen raumbedeutsamen Planungen mit dem vorrangigen Ziel vereinbar sein. Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Stattdessen soll der Naturschutz auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, um Wirtschaftsinteressen durchsetzen zu können.

    Mehrere Hektar Wiesen werden beansprucht. Diese gehen großenteils als Kaltluftentstehungsgebiete/Freiräume für Kaltluftbahnen verloren; ihre Bedeutung als Lebensraum wird in Punkt 4 thematisiert. Frischluftentstehung wird mit der Rodung der Halde und Hangwälder kleinklimatisch unterbunden.

    Das Lokalklima wird sich durch die Reliefveränderung, die Waldrodungen und die Staubentwicklung verändern. Hinzu treten die Erhöhung des Schwerlastverkehrs und Lärm-/Schadstoffeinträge. Die Wanderwege werden zwar verlegt, der Erholungswert wird durch die genannten Umstände aber stark eingeschränkt, was dem Tourismus (s. Punkt 2) schadet. Die Beeinträchtigungen der Kaltluftbahnen, Abschattungseffekte, Veränderungen des lokalen Strömungsfeldes sowie Albedo betreffen das Haldenumfeld plus 100 m Radius.

    Durch Entwässerung und Verlegung des Luchsbaches sind mehrere geschützte Einzelbiotope gem. § 21 SächsNatSchG betroffen: der Bachlauf selbst, das Silikatgestein am Luchsbach und 2 Teilflächen auf der Nordseite des Luchsbachtals, welche als LRT 9110 gesetzlichen Schutz genießen. Eine Tötung oder starke Schädigung der ansässigen Tier- und Pflanzenpopulationen ist wahrscheinlich.
     

  9. Haldenwirtschaft/ Abfallstoffe

    Während der Betriebsperiode werden 27 ha Haldenaufstandsfläche benötigt zzgl. 8 ha für die Betriebsanlagen. Für eine Förderung von rund 22 mio. t Roherz fallen 13 mio. t Restgestein an, welches verfüllt wird bzw. in einer abschnittsweisen Haldendevastierung aufgeschüttet werden soll. Die Basisabdichtungs- und Entwässerungskomponenten, die Sickerwassererfassung und -ableitung sowie die Oberflächenabdeckung sollen nach Deponieklasse I erfolgen; eine Abdichtung ist Pflicht. Zum Grundwasser ist ein Abstand von mind. 1 m einzuhalten. Insgesamt entstehen bis 2040 rund 5,4 mio. t Reststoffe. Allerdings sind vom Vorhabenträger verschiedene Angaben dazu gemacht worden, so dass uns die tatsächliche Verkippungsmasse unbekannt bleibt. Es existieren demnach Unsicherheiten über die Parameter der Halde; eine belastbare Beurteilung ihrer endgültigen Umweltauswirkungen scheint so kaum möglich. Da über den kompletten Produktionszyklus rund 22 mio. Tonnen gefördert werden sollen, entspräche dies einem Anteil von 59% der Gesamtfördermenge. Da aber im Abraumhaldenkonzept der GEOS ausgeführt wird, dass 51% der Abfälle untertägig versetzt werden sollen, verbleiben für eine übertägige Deponierung lediglich 49% der Fördermenge. Hier besteht eine Differenz von 10%, mithin von 2,2 Mio. Tonnen Abfall (Kleinstmögliche Differenz; weitere Berechnung s.u.).  Die Verkippung soll zu 8,2 ha auf der renaturierten Wismut-Halde und zu 20,5 ha auf dem bewaldeten Grundgebirge des Luchsbachtals erfolgen. Senkungen und Rutschungen muss vorgebeugt werden.

    Neben Bergmassen sind auch Schrott, Holz, Bauschutt und Bohrschlämme in der Halde verkippt. Es ist richtigerweise also eher von Abfallentsorgung als von Abraumhalde zu sprechen. Weiterhin sind weder Chemismus noch geotechnische Eigenschaften des Abfalls bekannt (die Umwelt GmbH und GEOS weisen selbst darauf hin). Das allein stellt die Genehmigungsfähigkeit in Frage. Die Zuschlagsstoffe für den untertätigen Versatz sowie übertägige Deponierung werden nicht benannt. Filteraschen werden nach derzeitigem Kohleausstiegsplan maximal bis zum Jahr 2038 zur Verfügung stehen – was geschieht in der restlichen Zeit des laufenden Bergbaus?

    Alternativen zur Deponierung wurden gar nicht erst belastbar untersucht. Neben dem Lkw-Transport wäre denkbar:

    -mittels Badnanlagen Bahntransport vom Bahnhof Grünstädtel aus (rund 5 km)
    -Fließfähiger Abfall mittels Rohrleitunf bis zum o.g. Bahnhof, Trocknung in dort positionierter Anlage mit Filterpressen
    -Nutzung der Marmortagebaus der GEOMIN in Oberwiesenthal (27 km entfernt)

    Bei den Schwankungen und Unklarheiten der Abfallvolumina ist ein Abtransport u.U. ohnehin notwendig. Es ergibt sich also aus rein praktischen Gründen der Voraussicht, sich nicht nur auf ein (bis jetzt unausgereiftes) Entsorgungskonzept zu versteifen. Im schlimmstmöglichen Fall kann die geplante Halde die Abfälle, die nicht untertägig versetzt werden können, nicht aufnehmen. Damit wäre eine Haldenerweiterung unbekannten Ausmaßes notwendig – bereits jetzt sind die Auswirkungen der Halde enorm. Eine Genehmigung bei solch einer eklatanten Unsicherheit kann nicht erteilt werden. (Im Konzept der GEOS wird auf Seite 172 ausgeführt, dass jährlich 290.000 m³ Abfall im Haldenbetrieb eingelagert werden sollen und dies einer Tonnage von 425.000 entspräche. Daraus ergibt sich ein Koeffizient von 1,466.

    Unter Anwendung des Koeffizienten auf die zur Verfrachtung angegebene Menge von 13 mio. Tonnen, ergibt sich ein Abfallvolumen von 8,9 mio. m³. Die Halde im Luchsbachtal hat aber nur ein geplantes Volumen von 4,1 mio. m³ aufzuweisen.[1])

    Ein Abfallbewirtschaftungsplan liegt uns aktuell noch nicht vor; wir bitten um Einsicht, sobald dieser erstellt worden ist. Er sollte zudem verschiedene Entsorgungsvarianten diskutieren. Das gleiche gilt für die Ergebnisse aus der Testanlage, so dass noch keine technische Ausführung der notwendigen Wasseraufbereitungsanlage vorhanden ist.

 

Redaktionelle Anmerkung: Die Artenschutz-Protokolle sind teilweise fehlerhaft. Die Protokolle zum Fischotter, der Haselmaus und folgender Arten wurden abschnittsweise mit den Fledermaus-Protokollen vermischt. 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer

 

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