BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zum bergrechtlichen Planfeststellungsverfahren nach § 57a BBergG für das Vorhaben „Kiessandtagebau Würschnitz-West“ auf den Gemarkungen Laußnitzer Forst und Würschnitz der Stadt Radeburg, der Gemeinde Thiendorf, der Gemeinde Laußnitz im Land

09. April 2019 | Stellungnahmen

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Landesverband Sachsen e.V., nimmt zum o. g. Vorhaben wie folgt Stellung.

 

Das Vorhaben wird abgelehnt.

Durch die bestehenden Abbauflächen sind bereits teilweise irreparable Schäden an Natur und Landschaft, Artenvielfalt, Bodenfunktionen, Grundwasserqualität und Biotopentwicklung verursacht worden. Ein erneuter Aufschluss verschärft die Problematiken auf dem Rücken von Umwelt- und Anwohnerbelangen, nur um vermeintlich profitable Abbautätigkeiten durchzusetzen. Die Kiesgrube Ottendorf-Okrilla ist bereits eine der umfangreichsten ihrer Art im Bundesgebiet und beeinträchtigt den Naturraum schon seit vielen Jahren nachhaltig. Gerade durch ihre enorme Nähe zu NSG, FFH- und SPA-Gebieten sowie gesetzlich geschützten Biotopen ist ein weiterer Aufschluss nicht genehmigungsfähig.

 

Begründung:

  1. Fehlende Alternativenprüfung und erhöhte Flächeninanspruchnahme im Widerspruch zum ROV
    Die Landesdirektion Sachsen hat darauf hingewiesen und in ihrer raumordnerischen Beurteilung festgehalten, dass das Abbaugebiet eine Größe von 44 ha nicht überschreiten darf (M1) und damit aufgezeigt, dass die damals bereits mit 107 ha Größe beantragte Fläche den Abbaurahmen erheblich übersteigt. Im Folgeverfahren hat der Antragsteller die Fläche nun sogar noch auf 134,7 ha, davon 122,3 ha reine Abbaufläche, erhöht – das ist mehr als das 2,7-fache der möglichen Fläche laut ROV. Darin eingeschlossen ist eine Fläche von 16,3 ha der TWSZ III des „Speichersystem Radeburg“. Die Landesdirektion schloss dies nach M3 aus. Die in M7 verlangte und auch von zahlreichen TÖB geforderte Alternativenprüfung hat offenbar nie stattgefunden. Dabei wurde auf mögliche Abbauflächen im Raum Meißen sogar hingewiesen. Diese Bewilligungsfelder befinden sich in weniger konfliktbehafteten agrarisch geprägten Offenlandbereichen. Die Vorgaben des ROV werden also bewusst und wiederholt ignoriert, die bescheinigte Nicht-Verträglichkeit übergangen. Weiterhin besteht keine gesamtsächsische wirtschaftliche Notwendigkeit zur Neu-Erschließung der beantragten Abbaufelder. Grundwasser-, Klima- und Waldschutz sowie Lebensqualität sind hier die Gemeinwohlinteressen, welche in das Prüfverfahren gegen den Wirtschaftsnutzen eingestellt werden müssen. Letztgenannte sind ebenso mehrschichtig zu beurteilen, denn der Aufschluss des Tagebaus schädigt den Tourismusstandort.
     
  2. Grundwasser- und Moorschäden
  3. In M15 des ROV wird die Verfüllung mit tagebaufremdem Material untersagt. Verschiedene Umweltverbände haben diesbezüglich bereits im letzten Beteiligungsverfahren darauf hingewiesen, dass eine solche Verfüllung von mineralischen, ortsfremden Abfällen (wir gehen von Bauschutt aus, denn genauere Informationen werden nicht erbracht) von rund 300.000 t/Jahr das Grundwasser über Jahrzehnte  durch Nährstoffauswaschung belastet. Die Nitratwerte sind bereits durch die fehlerhafte und kostenarme Verfüllung (aufgrund des Einsparens einer Grundwasserschutzschicht) der angrenzenden Gruben gestiegen und schädigen die Moorgebiete im Umkreis, welche Abflusswässer aus den verfüllten Tagebauen beziehen. Da nicht einmal eine grundwasserschützende Trennschicht zwischen Füllmaterial und Grundwasserleiter vorgesehen ist (welche dem Deponiecharakter entspricht), profitieren die umliegenden Biotope in keiner Weise vom errechneten (aber nicht notwendig eintretenden, s. u.) Niederschlagszufluss um das 1,6-fache – vielmehr erhöht sich die Auswaschung von Schadstoffen. Des Weiteren ist auch ein Zuviel des Wasserzuflusses für Feuchtgebiete gefährlich, da sie sich an einen speziellen Zustrom angepasst haben. Ein Abstand des Füllmaterials von 10 m zur TWSZ III ist unzureichend (s. Verringerung des Grundwasserflurabstands) und wir stellen die Art der Verfüllung grundsätzlich in Frage. Besonders, da der Antragsteller damit wirbt, durch den Aufschluss Pionierlebensräume für Arten der Extremstandorte zu schaffen. Eine solche Argumentation ist reine Augenwischerei, denn die so zur Verfügung gestellten Lebensräume werden durch die geplante Anlage von Kippenwäldern wieder vernichtet.

    Die teilweise im Abstrombereich liegenden Feuchtgebiete im Töpfergrund stellen geschützte Biotope nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 dar. Diese und das FFH-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ sind in ihrem Fortbestand gefährdet, da sie im hydrologischen Einzugsbereich des Tagebaus liegen und Wasser aus den Kieshochflächen beziehen (DITTRICH et al. 2000), dessen Qualität sowie Quantität abnehmen wird. Auch bei Trockenschnitt ist der kontinuierliche Wassereintrag nicht gesichert. Ihre Speisung mit unbelastetem Wasser ist weiterhin durch die unkontrollierte und ungeschützte Verfüllung stark gefährdet. Eine deutlich gestiegene Salzbelastung ist bereits durch die Verkippung der Alttagebaue nachgewiesen (Gutachten LRA Bautzen zu Laußnitz 1). Auf Grundlage wahrscheinlicher Erwärmungstrends wird die Neubildung von Grundwasser stark zurückgehen – die Erhaltung der Waldfläche hat neben artenschutzfachliche also auch hydrologische Bedeutung (Grundwasserneubildung und Verdunstungsschutz). Aufgrund der Unersetzbarkeit von Mooren sei an § 30 BNatSchG erinnert, welcher die Zerstörung solcher Ökosysteme verbietet. In Europa zählen sie zu den gefährdetsten Lebensräumen. Bei einer Verkippung mit tagebaufremden Material nach dem Merkblatt zur Abfallverwertung v. 29.07.2015 des OBA ohne Abdichtung der Tagebausohle zum Grundwasser, muss mit der Eutrophierung der Moorgebiete durch Salz- und Nährstoffeinträge gerechnet werden (KLENKE 2008, KRUSPE 2012).  

    Die hydrogeologische Einschätzung schafft keine Rechtssicherheit, ist entsprechend unzureichend und wird der Sensibilität des Raumes nicht gerecht. M6 des ROV verlangt klar Gutachten zur Prüfung der Verträglichkeit des Vorhabens mit Schutzgebieten und dieser Forderung schließen wir uns an. Ein unabhängiges, vereidigtes Fachbüro muss gutachterlich nachweisen können, dass die betroffenen und nach § 30 BNatSchG geschützten Biotope wie Moore, Quellbereiche, Sümpfe und naturnahe Gewässer nicht zerstört werden. Ergänzend sei hinzugefügt, dass das Kieswerk mit den verursachten Schadstoffeinträgen aus den bisher verfüllten Bereichen gegen die NSG-VO und die FFH-RL verstößt.
     

  4. Kippenwälder sind keine stabilen Lebensräume

    Der bisher erfolgte naturnahe Waldumbau auf gewachsenen Waldstandorten soll einer Wiederaufforstung durch sog. Kippenwälder weichen. Die geplante Aufforstung auf (mineralischem) Verfüllungsmaterial lässt zwar junge, frohwüchsige Kippenwälder entstehen, aber diese sind insbesondere gegenüber Witterungsextremen störungsanfällig und eignen sich auch nicht für anspruchsvolle Waldarten wie Kreuzotter und Kleineulen. Laut Planung erfolgt eine Mischpflanzung von Laub- und Nadelgehölzen, die teilweise jedoch stark witterungsanfällig sind: Im Vergleich zur Traubeneiche wird die Kiefer beispielsweise als klimasensitiver eingestuft. Zwar ist sie trockentolerant, jedoch als boreale Baumart hitzeempfindlich. Bereits heute lösen frühsommerliche Tageshöchsttemperaturen >35 °C mehrjährige Wuchsdepressionen aus, ungeachtet einer ausreichenden Wasserversorgung (KNOCHE et al. 2012). Letztgenannte ist bei den erwarteten Niederschlagsrückgängen in den kommenden Jahrzehnten nicht einmal mit Sicherheit gegeben. Pflanzenbauliche Extreme der Kippenböden, wie Humusarmut, substratbedingte Versauerung und Versalzung (KNOCHE 2001), lassen vermuten, dass sich hier klimatischer Stress frühzeitig und deutlich auswirkt. Weiterhin wirken sich Hitze- und Trockenperioden primär über den Bestandswasserhaushalt aus (FALK et al. 2008, RIEK 2010). Eine sichere Wasserversorgung der umliegenden Moorbereiche ist auf diese Weise zusätzlich gefährdet.

    Bis sich auf ehemaligen Tagebauen wieder naturnahe Waldökosysteme entwickeln, vergehen sehr lange Zeiträume, da die Waldbodenentwicklung nach der Verkippung die Zerstörung der natürlich gewachsenen Böden ausgleichen muss.

    Dem Antrag auf Waldumwandlung stimmen wir nicht zu.

  5. Biotopwerte, Lebensräume und Summationswirkungen falsch eingeschätzt

    Der vorgelegte Umweltbericht betrachtet die Isolierwirkung des beantragten Einzeltagebaus sowie die Gesamtbarrierewirkung durch alle Abbaufelder unzureichend. Prioritäre Lebensräume werden isoliert, Kohärenzbeziehungen zerschnitten. Im Folgenden werden Beispiele dazu aufgeführt:

    Für die neue Bandanlage soll eine Schneise durch einen Laub-Nadel-Mischforst (Biotop nach § 21 SächsNatSchG „Höhlenreiche Altholzinseln“) von hoher ökologischer Bedeutung geschlagen werden. Auch wenn die Fläche „nur“ 1,1 ha beträgt, ist der Lebensraum für die ansässigen Vogelgesellschaften erheblich beschädigt. Zusätzlich sind die neuen Waldränder (das gilt auch für die Gehölze an den Abbaukanten) stärkerem Umweltstress ausgesetzt. Die Einschätzung des Antragstellers zur Geringwertigkeit der betroffenen Waldbereiche auf 127 ha halten wir für unzutreffend. Nicht nur haben Waldgebiete bioklimatische Bedeutung und leisten einen wertvollen Beitrag zur Lufthygiene: Auf dem mageren Boden hat bereits und wird sich zukünftig ein naturnaher und strukturreicher Lebensraum entwickeln, dessen Potentiale durch den Antragsteller unterschätzt werden. Das zeigt sich auch in der Eingriffs-Ausgleichs-Bilanzierung, die diese Umstände unberücksichtigt lässt. Als durchschnittlich wird die faunistische Ausprägung mit 46 Vogel-, 5 Reptilien-, 7 Lurch- und 23 Libellenarten bewertet. Auch hier wird das Entwicklungspotential bei Nicht-Eingriff generell ausgeklammert.

    Durch den Aufschluss einer weiteren Abbaufläche werden die Kohärenzbeziehungen zwischen Schutzgebieten dauerhaft und erheblich gestört. „Unzerschnittenheit“ gilt als wichtiges Naturnähe-Merkmal, von dem gefährdete Arten wie bspw. die Kreuzotter extrem abhängig sind. Werden Lebensräume durchschnitten, ist die Populationserhaltung gefährdet. Die verfremdete Wiederaufforstung kann ebenso einen Barriereeffekt besitzen wie der vorangehende Aufschluss; eine Wiederbesiedelung nach Tagebauabschluss kann nicht vorhergesagt werden. Stattdessen ist die erhebliche Störungswirkung für durchziehende Arten wie Laubfrosch, Fischotter (betroffen durch zahlreich vorhandene Fließgewässer), Fledermäuse und Insekten zu betonen, denen Teillebensräume entzogen werden sollen. 

    Die zusätzliche verkehrliche Belastung wird unterschätzt: zur Verkippung sind 2-3 LKW/h zzgl. Leerfahrten notwendig. Das sind bei 16h Betrieb am Tag rund 80 Schwertransporter, welche Natur und Anwohner mit Abgasen und Lärm belästigen.
     

  6. Erhebliche nachteilige Auswirkungen auf Flora und Fauna

    Zur räumlichen Einordung: Die Auskiesung soll in nur 300 m Abstand zum FFH-Gebiet „Moorwaldgebiet Großdittmannsdorf“ erfolgen; die Abbauflächen selbst befinden sich in den Einzugsbereichen des SPA-Gebietes „Laußnitzer Heide“ und des FFH-Gebietes „Große Röder zwischen Großenhain und Medingen“; im Abstrombereich liegen die „Teiche um Zschorna und Kleinnaundorf“ (FFH).

    Von den Rodungsarbeiten sind 46 Vogelarten inkl. 2 besonders bedeutsamer kleiner Kauzarten betroffen, die im Abbaufeld ein optimales Bruthabitat besitzen. Für 42 Vogelarten gehen die Brutreviere nach und nach, mit den wandernden Abbaufeldern, verloren. Das seltene Vorkommen von Raufuß- und Sperlingskauz (Arten der EG-Vogelschutzrichtlinie) korreliert mit der geschlossenen Bewaldung und dem Lokalklima. Die von der Abholzung bedrohten Tieflands-Kiefer-Fichtenwälder begünstigen den Erhalt der Kauze wie auch von Schwarzspecht und Waldschnepfe, welche auf das spezielle Waldinnenklima angewiesen sind. Als Brutstätte sehr hoch bedeutsam sind auch die im Westen gelegenen Altbuchen; ergänzt wird der Lebensraum im Plangebiet durch Magerrasen, Lichtungen, Althölzer, Staudenfluren, Quellbereiche und Gewässer. Gerade letztgenannte sind durch den geringen Grundwasserflurabstand, der durch den Aufschluss erreicht wird, ungenügend vor Schadstoffen geschützt. Für die von ihnen abhängigen Tier- und Pflanzengesellschaften (betont seien besonders die Moorgebiete und der Töpfergraben) stellt eine Schädigung einen Verbotstatbestand nach §44 BNatSchG i.V. m. § 30 BNatSchG dar.  

    Direkt an der Grenze zum Vorhabengebiet befindet sich das SPA „Laußnitzer Heide“, welches sich im Abstrombereich des Tagebaus befindet und gleichzeitig von dessen Schallemissionen betroffen ist. Die Vorprüfung ergab einen Schallpegel zwischen 40 – 45 dB; die Höchstgrenze für die vorkommenden Vogelarten wird mit 47 dB angegeben. Aufgrund des als sehr gering prognostizierten Belastungspuffers an den Grenzen der Höchstwerte, betrachten wir lediglich eine Vorprüfung der Schallbelastung als nicht ausreichend.

    Die bereits genannten Negativauswirkungen der hydrologischen Veränderungen auf das NSG „Waldmoore bei Großdittmannsdorf“ beeinträchtigt natürlich auch u. a. dort lebende Libellen wie z. B. Östliche und Große Moosjunger (Arten des Anhangs IV der FFH-RL) sowie die Arktische Smaragdlibelle. Die genannten Arten sind alle der Kategorie 2, stark gefährdet, zuzuordnen.

    Trotz der ROV-Forderung M6 nach Gutachten zur Verträglichkeit des Abbauvorhabens mit den benachbarten Schutzgebieten wurden keine Populationsgefährdungsanalysen für Kleineulen und Kreuzotter beauftragt. Letztgenannte zählt zu den stark gefährdeten Arten und benötigt einen Wechsel zwischen kühlen Feuchtgebieten und trockenwarmen Plätzen in Kieshochflächen. Letztere wurden im geplanten Abbaufeld dokumentiert (SCHRACK 2004); dennoch wurde keine Populationsgefährdungsanalyse erstellt.

    Wir fordern aus diesem und den vorangegangenen Gründen eine vollumfängliche FFH-Verträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFH-RL i. V. m. § 34 BNatSchG, um eine Gefährdung der Erhaltungsziele überzeugend ausschließen zu können.

Wir weisen darauf hin, dass die öffentliche Bekanntmachung der Auslegung fehlerhaft gewesen sein dürfte, weil das Datum für die Abgabe der Stellungnahme fälschlich mit dem 12. April 2019 bezeichnet war, die eingeräumte Frist von zwei Wochen nach Ende der Auslegung aber bereits am 9. April 2019 endete. Wir beanstanden deshalb, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit in die Irre geführt sein könnten und fordern die Wiederholung des Verfahrensschrittes.

Wir bitten gleichzeitig um weiter Beteiligung am Verfahren und rechtzeitige Mitteilung des Erörterungstermins.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer

 

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