BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zum Planfeststellungsvorhaben „B96 - Ausbau Cölln - Königswartha“

20. Juni 2017 | Mobilität, Stellungnahmen

Das Vorhaben wird in seiner derzeitigen Fassung abgelehnt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BUND Landesverband Sachsen e. V. bedankt sich für die Beteiligung zum o. g. Verfahren und nimmt hierzu wie folgt Stellung:

Das Vorhaben wird in seiner derzeitigen Fassung abgelehnt.

Begründung:

Der Vorhabenträger beabsichtigt den Ausbau der B 96 zwischen Cölln und Königswartha. Damit einher geht nicht nur die Änderung der (geringfügige) Linienführung der Bundesstraße sondern auch die Rodung der begleitenden Gehölze sowie Eingriffe in Natur und Landschaft durch die vielfältigen Maßnahmen (beispielsweise die Uferneugestaltung der näheren Umfeld vorhandenen Stillgewässer).

1.    Eingriff in Naturhaushalt und Landschaftsbild und unzureichende Kompensation

Das geplante Vorhaben stellt einen Eingriff und Natur und Landschaft gem. § 14 BNatSchG dar. Der Vorhabenträger geht teilweise davon aus, dass einzelne Maßnahmen keine Eingriffe in Natur und Landschaft darstellen. Des Weiteren wurde von einer am Natura-2000-Prüfung sowie von einer UVP-Prüfung abgesehen (dazu Punkt 3.). Zunächst ist zu bemängeln und abzulehnen, dass durch den Ausbau der B 96 eine erhebliche Anzahl von gewachsenen Einzelbäumen (mindestens 46) gerodet werden soll. Zudem ist die Beseitigung mehrerer gesetzlich geschützter Biotope (u. a. Bruchwald, Uferbereich mit Röhrrichtbestand) vorgesehen, was unsererseits abgelehnt wird. Wir halten es für erforderlich, dass der Vorhabensträger eine Planung vorlegt, die solche Eingriffe vermeidet und unterlässt. Eine Prüfung, inwiefern gerade die straßenbegleitenden Bäume, die unter anderem auch gesetzlich geschützte Lebensstätten beinhalten (Biotopbäume mit Höhlen), können wir den Planunterlagen nicht entnehmen. Es erfolgt bspw. keine Betrachtung, ob die Anlage des Fahrradweges auch neben der bestehenden Allee möglich ist und somit die Straßenbäume erhalten werden können. Wenn ein Wirtschaftsweg für die Teichbewirtschaftung an diesem Ort angelegt werden kann, so ist es wohl auch möglich, eher den Fahrradweg dort anzulegen, um die Straßenbäume zu erhalten. Dementsprechend gehen wir davon aus, dass ein derartiger Eingriff vermeidbar ist (§ 15 BNatSchG).

In Bezug auf die Beseitigung und Wiederherstellung der Uferbereiche des Wiesenteichs sowie des Großen Holschaer Teichs ist von einer wesentlichen Umgestaltung eines Ufers gem. § 67 Abs. 2 S. 1 Var. 2 WHG auszugehen. Dieser Tatbestand des Gewässerausbaus wurde vorliegend nicht erkannt. Des Weiteren geht der Vorhabensträger davon aus, dass unter anderem die baubedingte Inanspruchnahme von ca. 3.500 m² Teichfläche z. T. mit Verlandungsvegetation sowie 1.840 m² Ruderalfur nicht als Eingriff im Sinne des § 14 BNatSchG anzusehen wäre, da aufgrund der schnellen Regenerationsvermögens dieser Biotope keine Eingriff vorliegen würde (LBP S. 34). Dem ist ausdrücklich zu widersprechen, da nach der gesetzlichen Definition des Eingriffs in Natur und Landschaft gem. § 14 Abs. 1 BNatSchG ein solcher vorliegt. Unabhängig von der Betrachtung der Regenerationsfähigkeit eines Biotops, liegt ein Eingriff gem. § 14 Abs. 1 BNatSchG bei einer Veränderung der Gestalt von Grundflächen des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels vor, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes erheblich beeinträchtigen können. Gemessen an dieser gesetzlichen Definition liegt hier eindeutig ein Eingriff vor, da die Gestalt der Grundfläche in Form des Uferbereichs verändert wird, gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts aufgrund der Beseitigung erheblich beeinträchtigt wird. Gleichzeitig beeinträchtigt die Beseitigung der Röhrichtbestände gleichermaßen das Landschaftsbild. Da der Vorhabenträger hier nicht von einem Eingriff ausgeht, hat er dementsprechend auch kein Kompensationserfordernis gesehen, so dass dieser Eingriff als nicht ausgeglichen im Sinne des § 15 Abs. 2 BNatSchG gewertet werden muss.

2.    Artenschutz

Auch in Hinsicht auf den Artenschutz ist die Beseitigung der straßenbegleitenden Gehölze kritisch zu sehen. So stellt der Vorhabenträger selber fest, dass es sich bei einigen Bäumen um sogenannte Biotopbäume handelt, somit diese damit auch besonders geschützte Lebensstätten gem. § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG darstellen, wenn sie durch Vogel- oder Fledermausarten besetzt sind. Der Besatz dieser Höhlen konnte durch den Vorhabenträger nicht ausgeschlossen werden bzw. wurde ein solcher Besatz nicht hinreichend überprüft. Die vom Vorhabenträger vorgesehene Vermeidungsmaßnahme 4 VCEF  (Überprüfung geeigneter Quartierbäume auf Besatz mit Fledermäusen) ist nicht dazu fähig, als Vermeidungsmaßnahme anerkannt zu werden, da hier die Erfassung erst nach dem Abschluss des Planfeststellungsverfahrens vorgesehen ist und darüber hinaus offen bleibt, was im Falle des vorfinden von geschützten Arten in diesen Höhlen geschehen soll. Vielmehr wäre es Aufgabe des Vorhabenträgers gewesen, eine Erfassung im Planfeststellungsverfahren vorzunehmen, um ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auszuschließen. Auch die vorgesehene Vermeidungsmaßnahme 1 VCEF (Bauzeitenregelung) kann nicht als Vermeidungsmaßnahme in Bezug auf Fledermausarten angesehen werden. So ist es vorgesehen, Gehölze und Röhrichte nicht innerhalb der Zeit vom 1. Oktober bis 28. Februar zu roden, um die Zerstörung von besetzten Fortpflanzungsstätten von Vögeln bzw. besetzten Quartieren von Fledermäusen zu vermeiden. Hierzu ist festzustellen, dass ein Höhlenbaum auch ein Winterquartier für verschiedene Fledermausarten (beispielsweise für den Großen Abendsegler) darstellen kann, und somit eine Rodung gerade in der Winterzeit erfolgt, während Fledermäuse sich in der Winterruhe befinden. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine Rodung eines solchen Biotopbaums gerade die Verletzung des Tatbestandes des § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG als auch des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG hervorruft. Des Weiteren bleibt unklar, warum die vorgesehenen Vermeidungsmaßnahmen als CEF-Maßnahmen gekennzeichnet sind, da es sich bei CEF-Maßnahme um vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen handelt, CEF-Maßnahmen somit gerade keine Vermeidungsmaßnahmen darstellen können.

Weiterhin ist festzustellen, dass die Beseitigung der straßenbegleitenden Gehölze auch ein erhöhtes Tötungsrisiko für die vorkommenden Vogelarten hervorruft. Aufgrund der Nähe der beiden Stillgewässer sowie der Kreuzung durch die B 96 ist von Austauschbeziehungen durch Vogelarten auszugehen. Der Vorhabenträger weist selber darauf hin, dass durch die vorgesehene Rodung der Gehölze, Vogelarten, die von einem zum anderen Stillgewässer wechseln, aufgrund der fehlenden hohen Bäume nicht mehr dazu angehalten sind, eine gewisse Flughöhe zu erreichen, um Kollisionen mit Kraftfahrzeugen aus dem Weg zu gehen (fehlende Überflughilfe). Hierdurch wird ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für die vorkommenden Vogelarten hervorgerufen, da sie nun im Vergleich zur vorherigen Situation, einem größeren Tötungsrisiko durch Kollisionen ausgesetzt werden. Die vorgesehene Maßnahme zur Vermeidung eines solchen Tötungsrisikos muss als nicht wirksam angesehen werden, da die Anlage von jungen Gehölzen eine ausreichende Flughöhe gerade nicht bedingt. Vielmehr ist erst in einem Zeitraum von 20-30 Jahren davon auszugehen, dass die vorgesehene Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahme in Form der Pflanzung von straßenbegleitenden Gehölzen nach einer langjährigen Anwuchsphase wirksam wird. Dementsprechend wäre es auch an dieser Stelle aus unserer Sicht notwendig, den Erhalt der vorhandenen Bäume und Sträucher zu prüfen.

3.    Fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung und Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung  

Der Vorhabenträger kommt in seiner Vorprüfung des Einzelfalls gem. § 3c UVPG zu dem Ergebnis, dass für das Vorhaben keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) besteht. Dieses Ergebnis kann aus unserer Sicht nicht nachvollzogen werden, da mit der Maßnahme die Beseitigung mehrerer gesetzlich geschützte Biotope verbunden ist, was für sich genommen schon erhebliche Umweltauswirkungen erwarten lässt. Daneben ist auch die Lage des Vorhabensgebiet innerhalb einer Natura-2000-Kulisse zu berücksichtigen, die die naturschutzfachliche Hochwertigkeit des Gebietes unterstreicht. Auch unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen, die wie gezeigt nicht als Vermeidungsmaßnahmen angesehen werden können, können nicht im Rahmen der UVP-Vorprüfung des Einzelfalls erhebliche Beeinträchtigung durch das Vorhaben von vornherein ausgeschlossen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Ausgleichsmaßnahmen an einem anderen Ort durchgeführt werden (bspw. Anlage eines Auwaldes an der Spree) und somit nicht dazu dienen können, den Eingriff im näheren Umfeld auszugleichen. Des Weiteren werden in Hinsicht auf das Schutzgut Mensch keinerlei Untersuchungen vorgenommen. Gerade auch unter Berücksichtigung, dass die B 96 einen hohen Schwerlastverkehr aufweist, wäre die Ermittlung der Lärmbeeinträchtigungen zu ermitteln gewesen. Eine solche Ermittlung kann auch nicht unter dem Verweis auf die bestehende Straße abgelehnt werden, da insbesondere fraglich ist, wie hoch die Vorbelastung der an der B 96 wohnenden Bevölkerung durch Lärm ist. Infolgedessen kann auch nicht festgestellt werden, inwiefern Lärmminderungsmaßnahmen notwendig sind. Daher ist vom Vorhabenträger eine UVP nachzuholen und erneut eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorzunehmen.

Gleichfalls ist eine unterbliebene Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung zu kritisieren. Gem. § 34 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebietes zu prüfen. Eine Verträglichkeitsprüfung ist nur verzichtbar, wenn eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele bzw. Schutzzwecke offensichtlich ausgeschlossen ist oder aus wissenschaftlicher Sicht keine ernstzunehmender Anhaltspunkte in diese Richtung weisen (vgl. BVerwG, NuR 2008, 115 Rn. 7). Eine Beeinträchtigung des FFH-Gebiets kann schon durch die langanhaltende Entwässerung der beiden Stillgewässer nicht ausgeschlossen werden. Es wird vermutet, dass eine solch lange Dauer der Trockenlegung auch nicht bei der fischereiwirtschaftlichen Nutzung in der Vergangenheit vorlag, so dass ein lang anhaltendes Trockenlegen der Stillgewässer eine erhebliche Beeinträchtigung in Bezug auf die Erhaltungsziele hervorrufen kann. Des Weiteren wird ein geschützter Lebensraumtyp (eutrophes Stillgewässer) direkt in Anspruch genommen und erheblich verändert (Uferbereich der beiden Seen), so dass auch eine Beeinträchtigung eines Erhaltungsziels (Lebensraumtyp nach Anhang I der FFH-RL) offensichtlich nicht ausgeschlossen werden kann. Dass die direkte Flächeninanspruchnahme geringer als 1000 m² sein soll, kann nicht als Argument gegen eine Durchführung einer Natura-2000-Verträglichkeitsprüfung verwendet werden, da der Zweck einer Verträglichkeitsprüfung gerade darin besteht, Beeinträchtigung eines Vorhabens auf ein Natura 2000-Gebiet zu untersuchen und erhebliche Beeinträchtigungen auszuschließen. Vielmehr ist die direkte Inanspruchnahme eines geschützten Lebensraumtyps gerade als Anlass für eine vorzunehmende Verträglichkeitsprüfung zu nehmen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass in Bezug auf Fledermausarten (Erhaltungsziele des FFH-Gebiets) sowie den Erhaltungszielen des SPA-Gebietes, durch die Rodung der straßenbegleitenden Gehölze ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko durch die nun freie Kreuzung der B 96 hervorgerufen wird. Zudem werden Biotopbäume gefällt, die Lebenstätten von Erhaltungszielen (Fledermäuse oder Gehölzbrüter) darstellten können. Durch die unterbliebene Natura-2000-Prüfung unterlässt der Vorhabenträger auch eine naturschutzfachliche Alternativenprüfung. Dementsprechend ist eine Verträglichkeitsprüfung des Vorhabens sowohl für das FFH-Gebiet „Teiche zwischen Neschwitz und Großdubrau“ sowie für das SPA-Gebiet „Teiche zwischen Neschwitz und Lomske“ durchzuführen und im Planfeststellungsverfahren nachzureichen.  

4.    Fehlerhafte WRRL-Prüfung

Der Vorhabenträger hat eine Verträglichkeitsprüfung des Vorhabens mit den Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie vorgenommen. Im Bezug darauf lässt sich feststellen, dass diese Verträglichkeitsprüfung fehlerhaft und nicht dazu geeignet ist, ein Verstoß gegen die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie auszuschließen. Zunächst verkennt der Vorhabenträger, dass nicht nur das Verschlechterungsverbot und Verbesserungsgebot in Bezug auf den nächstgelegenen Oberflächenwasserkörper zu prüfen sind, sondern von der Wasserrahmenrichtlinie auch Kleinstgewässer erfasst werden. Es ist festzustellen, dass vom Schutzzweck bzw. Schutzziel gem. Art. 1 WRRL alle Binnenoberflächengewässer erfasst werden, sich somit eine Beschränkung auf Oberflächenwasserkörper gerade nicht ergibt. Des Weiteren ist es im Ermessen der Mitgliedstaaten, Oberflächenwasserkörper einzuteilen, sodass es Deutschland auch möglich gewesen wäre, kleine Gewässer als eigenständigen Gewässerkörper auszuweisen. Vgl. zur WRRL-Prüfung von Kleinstgewässern auch Möckel, DVBl. 2010, 618. Auch dem WHG (§ 27 WHG) fehlt es an einer Vorgabe, die Umweltziele (Verschlechterungsgebot und Verbesserungsgebot) nur in Bezug auf Wasserkörper zu prüfen, vielmehr gelten die Umweltziele in Bezug auf alle oberirdischen Gewässer sowie das Grundwasser. Dementsprechend hätte Bezugspunkt der Verträglichkeitsprüfung mit den Umweltzielen der WRRL nicht nur das Hoyerswerder Schwarzwasser sein müssen, sondern auch der Czornegraben. Die Verträglichkeitsprüfung ist auch fachlich nicht geeignet, da sie ohne eine Ermittlung der Schadstoffbelastung durch die B 96 auskommt und des Weiteren nicht eine ökologische Qualitätskomponente beim Namen nennt. Daher kann eine Verschlechterung des ökologischen und chemischen Zustands nicht ausgeschlossen werden. Es fehlt an einer Untersuchung der Grenzwertüberschreitung durch prioritäre Stoffe als auch in Hinsicht auf einen Qualitätskomponentensprung einer ökologischen Qualitätskomponente nach Anhang V WRRL. Vgl. zu den Auswirkungen der WRRL auf das Straßenrecht  Knappe, W+B 2017, 25. Des Weiteren bleibt die wesentlich Veränderung des Uferbereichs der beiden Seen bei der Verträglichkeitsuntersuchung unberücksichtigt und wird nicht in Hinblick auf die Umweltziele der WRRL geprüft.

Aufgrund erheblicher Defizite wird das Vorhaben in seiner derzeitigen Fassung abgelehnt.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. David Greve
Landesgeschäftsführer 

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