BUND Landesverband Sachsen

Stellungnahme zur Planfeststellung für die “Grundhafte Erneuerung der Gleisschleife inkl. barrierefreier Haltestellen für Bus und Bahn“, DresdenOT Kleinzschachwitz

20. Juli 2020 | Stellungnahmen

Sehr geehrte Damen und Herren,


unser Naturschutzverband bedankt sich für die Möglichkeit des Mitspracherechts bei diesem Vorhaben. Die BUND Regionalgruppe Dresden ist vom Landesverband Sachsen bevollmächtigt, zu den Unterlagen Stellung zu nehmen.


Der grundhafte Ausbau der Gleisschleife im Dresdner Ortsteil Kleinzschachwitz umfasst das Verschieben der Straßenbahntrasse, das Installieren barrierefreier Haltestellenanlagen, das Aufstellen zusätzlicher Fahrradabstellanlagen sowie die Errichtung eines Endpunktgebäudes mit Fahrgastunterstand. Im Inneren der Gleisschleife befindet sich eine biotoptypische Grünanlage mit zahlreichen Strauchwerken und Altbäumen. Mindestens neun laut BNatSchG streng geschützte Fledermausarten und 51 laut BNatSchG besonders geschützte Vogelarten nutzen die Grünanlage potenziell als Habitat für Nist- und Versorgungsfunktionen. Fünf der Altbäume sollen im Zuge der Baumaßnahme gefällt werden. 317qm zuvor unversiegelter und teilversiegelter Fläche werden neuversiegelt.


Grundsätzlich begrüßen wir das Vorhaben, weil es die Attraktivität des ÖPNV erhöht und einen Beitrag zum ökologischen Mobilitätskonzept Bike&Ride leistet. Unbedingt zuzustimmen ist dem im Entwurf gesetzten Ziel des bestandsnahen Ausbaus der Gleisschleife und damit der Wahl einer Bauvariante, mit dem geringstmöglichen Eingriff in die von der Gleisschleife umfasste Grünfläche. Ebenso begrüßenswert ist die Errichtung des Endpunktgebäudes in umweltfreundlicher Bauweise und Ästhetik (Holzrahmen und -platten, Pflanzfassade, Regenwasserleitsystem, LED-Beleuchtung, Farbigkeit). Hinsichtlich der Wahl der Materialien stellt sich die Frage, ob für die Polyethylen-Folie, die als Trennlage zwischen unterster Bodenplatte und Naturgrund eingelegt werden muss, eine umweltverträglichere Lösung gefunden werden kann. Die zu erwartende Diffusion von Mikropartikeln, ist zu vermeiden. Des Weiteren begrüßen wir den Verzicht auf eine Versiegelung im Bereich der Fahrradabstellanlage und damit die Wahl einer ungebundenen Deckschicht.


Entscheidend für die hohe Akzeptanz des Projektes ist vor allem die ausführliche Darstellung der Schutz-, Vermeidungs-, Ausgleichs- und CEF-Maßnahmen im Landschaftspflegerischen Fachbeitrag (Unterlage 19.1) sowie im Artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (Unterlage 19.3). Mit diesen Maßnahmen kann der Verbotstatbestand der Baumfällungen aufgehoben werden. Sie umfassen Maßnahmen zum Schutz der Bestandsbäume vor Verletzungen durch Baufahrzeuge während der Bautätigkeit (Stammmäntel); das Einrichten von Bautabuzonen; den schonenden Rückbau der Fahrleitungsmasten. Für die Baumfällungen ist eine ökologische Fällbegleitung heranzuziehen und eine faunaschonende Fällzeit zu wählen. Für den Verlust der Altäume sind sollen 26 Neupflanzungen vorgenommen werden. Für die von der Fällung direkt betroffenen Flugtiere (Buntspecht, diverse Fledermausarten) sollen mindestens 6 Ersatznistkästen an Bäumen der Umgebung angebracht werden.


Kritische Aspekte


Verkehrssicherheit/Fahrrad


Unter Punkt 2.4.3 „Verbesserung der Verkehrssicherheit“ ist zu lesen, dass „besondere Anlagen für den Radverkehr (…) auf Grund der Verkehrsbelastung nicht notwendig“ (S.10) seien. Zweifellos findet die Baumaßnahme in einem verkehrlich eher ruhigen Stadtteil statt. Doch klar ist auch, dass mit der Gleisschleife ein erhöhtes Gefahrenpotenzial verbunden ist. So muss gerade dem Streben nach einer Erhöhung des Bike-&-Ride-Effekts das Ziel gesteigerter Sicherheit für Radfahrer*innen entsprechen. Dies ist nicht nur eine Frage der Attraktivität des DVB-seitigen Angebots, sondern betrifft die allgemeine Verkehrssicherheit (mit ökologisch nachhaltigem Mobilitätskonzept). Schon im Bestand stellt die Gleisschleife einen unzureichend gesicherten verkehrswirksamen Abschnitt dar, dessen Attraktivität für mobilitätseingeschränkte Personen und Radfahrer*innen erhöht werden soll. Anders als unter Punkt 4.1.2 („Vorgesehene Verkehrsqualität“, S.18) angegeben, verändert sich unserer Auffassung nach die Verkehrsqualität in Abhängigkeit zur bezweckten Intensivierung der Nutzung und Erweiterung des Nutzerspektrums. Da unter Punkt 4.5.3 „Führung von Wegeverbindungen in Knotenpunkten und Querungsstellen, Zufahrten“, S.24) alle Angaben „entfallen“ sind, ist für uns nicht erkenntlich geworden, inwieweit die im Erläuterungsbericht beschriebene Fußgängerquerung auch die Straßenüberwege miteinschließt. Um der unter Punkt 4.1.3 („Gewährleistung der Verkehrssicherheit“, S.18) gewünschten Verbesserung der Verkehrssicherheit gerecht zu werden, plädieren wir für die Markierung von Fahrrad- und Fußgängerüberwegen in den Bereichen der Freystraße und der Kurhausstraße. Denn anders als unter Punkt 4.2 („Bisherige/zukünftige Straßennetzgestaltung“, S.18) beschrieben, ergibt sich für das intensivierte und erweiterte Nutzerspektrum eine „Nutzungsveränderung“. Für Radfahrer*innen, Rollstullfahrer*innen, blinde und begleitete Menschen, für Benutzer*innen von Gehhilfen, ältere und kranke Menschen und schließlich für Familien mit Kleinkindern kann durch entsprechende Markierungen der ungefährdete Zu- und Abgang gewährleistet werden.


Versiegelung


Die im Erläuterungsbericht vorgetragene Selbsteinschätzung, nach der „nur geringfügige (…) Neuversiegelungen entstehen“ (S.54), teilen wir nicht. Der Landespflegerische Fachbeitrag spricht von insgesamt 317qm Neuversiegelung zuvor unversiegelter und teilversiegelter Flächen (dort S.18 und 33). Diese Flächensumme wirft die Frage nach der Notwendigkeit des Umfangs der Baumaßnahmen auf, die weiter unten noch umfänglicher gestellt werden soll.


Gleisschmieranlage


Im Bogenbereich der Berthold-Haupt-Straße soll eine Gleisbogenschmieranlage neu installiert werden (Punkt 4.9.1, S.38). Aus diesem Grund können wir die im Landschaftspflegerischen Fachbeitrag (Unterlage 19.1) gegebene Einschätzung der „potenziellen anlagebedingten Auswirkungen“ (dort Punkt 3.2.2) nicht nachvollziehen. Obwohl es sich bei der Schmieranlage um eine Neuinstallation handelt, wird mit der bestandsbedingten Vorbelastung des Baugebietes argumentiert, um potenzielle Wirkfaktoren, wie „verkehrsbedingte Schadstoffemissionen (Schmierstoff- und Betriebsmittelverluste, Schienenschmiereinrichtungen, Abrieb etc)“ als „unerheblich einzuschätzen“ (S.17). Tatsächlich wird mit der Installation eine neue Gefahrenquelle in den Baubereich eingebracht. Wir mahnen daher zur erhöhten Wartungsverantwortung, da mit Fehlfunktionen schwerwiegende Schadstoffemissionen verbunden sein können. Dieses Risiko könnte auch durch die Verwendung biogener Schmierfette gering gehalten werden.


Dachbegrünung Endpunktgebäude (EPG)


Wir bitten darum die Entscheidung der DVB AG, aufgrund des „nicht wirtschaftlichen Aufwand-Nutzen-Verhältnisses“ von einer Begrünung des EPG-Daches abzusehen, zu überdenken und dabei auch die Vorbildfunktion der kommunalen Unternehmen zu berücksichtigen. Möglichkeiten der extensiven Dachbegrünung auf Kleinstflächen bei minimalem bis keinem Wartungs- und Pflegeaufwand bieten etwa die Verwendung von Moosen und anspruchslosen Sedumgewächsen, wie dem „Scharfen Mauerpfeffer“ oder die „Fette Henne“. Vor allem die frost- und trockenheitsbeständigen Stauden kommen spätestens ab dem zweiten Sommer ohne Pflegezuwendung selbstständig zurecht. Auch für Minimalflächen wie Carports oder Endpunktgebäude mit Fahrgastunterstand stehen vielfältige Installationsvarianten zu Verfügung (Granulierte Böden, Sedummatten usw.). Angesichts des großen Ausmaßes neuversiegelter Flächen im Zuge der Baummaßnahmen hat die Dachbegrünung mit ihrer ausgleichenden Funktion geradezu zwingenden Charakter.


Problemfeld: Sinnhaftigkeit des Doppelgleis-Konzeptes


Problempunkt Einstiegsbahnsteig 2


Auf diesen problematischen Aspekt weist schon die unter Punkt 3.2.1 aufgeführte Variantenübersicht (zu der jedoch anzumerken ist, dass sie keine befriedigend nachvollziehbare Differenzierung der Varianten leistet). So ist in Variante 3 bereits kritisch angemerkt worden, dass ein 45m langes Bahnfahrzeug „etwas“ in die Fußgängerquerung hineinrage (S.13). Diesbezüglich wird offenbar auch für Variante 4 davon ausgegangen, dass „durch eine ausreichende Breite“ der Fußgängerquerung „keine Behinderungen“ entstehen. Inwieweit damit keine „Behinderung“ zu verbinden ist, wäre längerfristigen Erfahrungswerten zu entnehmen. Vor allem was die erhöhte Nutzung durch mobilitätseingeschränkte Personen mit Rollstühlen und Gehilfen betrifft, aber auch Personen, die Kinderwägen oder Fahrräder mitführen, die den Fußgängerüberweg zum Erreichen ihres Gleises oder das Verlassen des Haltestellenbereichs nutzen wollen. In der Voraussicht jedoch stellt das Hineinragen des Fahrzeugs in den Fußgängerbereich zweifellos eine potenzielle Behinderung dar.
Offenbar handelt es sich bei dem Bahnsteig 2 nur um einen sogenannten „Reserve“-Einstieg. (Unterlage 16.4/1, Haltestellenlageplan) Damit scheint es, dass sich die soeben beschriebene Gefahrenproblematik mit ihrem unterstellbar seltenen Auftreten vernachlässigen ließe. Doch welche Funktion und Nutzungsfrequenz wird mit Gleis 2 verbunden? Hier liefert der Erläuterungsbericht nur unbefriedigende Angaben.


Problempunkt Begründung des Bedarfs


Mit der unklaren Begründung eines zweigleisigen Bedarfs verbindet sich die Fragwürdigkeit des Umfangs der Baumaßnahmen. In der Unterlage 16.4/1 („Haltestellenlageplan“) ist die an Gleis 2 befindliche Straßenbahnhaltestelle als „Strab-Reserve“ ausgewiesen. Im Erläuterungsbericht ist unter Punkt 4.9.1 („Gleisanlagen Straßenbahn“, S.33) zu entnehmen, dass „das äußere Gleis (Gleis 2) (…) nur in Sondersituationen“ genutzt werde. Aus der inhaltlichen Gegenüberstellung mit der Regulärnutzung von Gleis 1, „nur temporär genutzt“ (S.40), ergibt sich die Vermutung eines eher seltenen Bedarfs. Da dieser jedoch weder in seiner Häufigkeit konkretisiert noch in seiner Bedeutung nachvollziehbar ausgeführt ist, ergibt sich die Frage nach der Notwendigkeit der aufwändigen Gleisspaltung.


Eine eingleisige Variante könnte baulich hinreichend vom Schadraum im Randbereich der Grünanlage abrücken („1,75m“, s. 1.2, S.7). Damit würde die Notwendigkeit der Fällung von Altbäumen hinfällig. Die Fahrspur der Straßenbahn könnte so weit wie nötig südwestlich in die Freystraße hineinverlegt werden, dass die Mindestlänge für den barrierefreien Bahnsteig gefahren- und behinderungsfrei gewährleistet ist. Da der vorliegende Entwurf bereits einen grundhaften Ausbau mit der Verschiebung des Gleisbereichs vorsieht, stellt diese Variante keine Überforderung, sondern im Gegenteil, eine Verringerung des Umfangs der Baumaßnahmen dar. Sie bietet Vorteile in der Verkürzung der Bauzeit, vor allem aber in der Reduzierung bau-, anlagen- und betriebsbedingter Kosten sowie der Umweltstörungen und -schädigungen.


Mit freundlichen Grüßen,


Martin Ahlfeld, Wolf Seiter

 

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