Angelegte Streuobstwiese in Ostritz (Sachsen) ©BUND Görlitz
Görlitz. Eine umfassende Untersuchung der BUND-Ortsgruppe Görlitz belegt erstmals den konkreten Wert von Streuobstwiesen: Bei Kosten von rund 130.000 Euro erbringt eine Streuobstwiese innerhalb von zehn Jahren Ökosystemleistungen im Wert von mehr als 163.000 Euro pro Hektar – und bietet gleichzeitig Lebensraum für über 1.000 Arten.
Eine Streuobstwiese ist weit mehr als eine idyllische Kulturlandschaft: Zwei neue Studien der BUND-Ortsgruppe Görlitz belegen nun eindrucksvoll, wie groß ihr ökologischer und finanzieller Wert tatsächlich ist. Initiiert wurde diese wertvolle Arbeit von den BUND-Mitgliedern Dr. Peter Decker, Dr. Michael Schlitt, Jörg Müller und Dr. Ulrich Burkhardt. Im Mittelpunkt steht eine 2,5 Hektar große Streuobstwiese in Ostritz (Sachsen), die 2006 angelegt wurde. Zwischen 2017 und 2024 haben 24 ehrenamtliche Artenexpertinnen und -experten dort 1.080 Tier-, Pflanzen- und Pilzarten nachgewiesen – darunter 29, die auf der bundesweiten Roten Liste gefährdeter Arten geführt werden. Vier dieser Arten gelten als stark gefährdet. Peter Decker vom BUND dazu: „Tatsächlich dürfte die Artenzahl auf dieser neu angelegten Wiese noch deutlich höher sein, aber es standen nicht für alle Arten Expert:innen für die Erfassung zur Verfügung."
Die Anlage und fachgerechte Pflege der Wiese kosteten von 2006 bis 2023 insgesamt 130.894 Euro. Was zunächst nach einer hohen Summe klingt, relativiert sich durch die zweite Untersuchung: Dr. Michael Schlitt ermittelte erstmals den finanziellen Gegenwert der sogenannten Ökosystemleistungen dieser Streuobstwiese, also all jener „Dienstleistungen", die ein intaktes Ökosystem der Gesellschaft kostenfrei zur Verfügung stellt. Dazu zählen die langfristige Bindung von Kohlenstoff und damit ein Beitrag zum Klimaschutz, die Bestäubung von Nutz- und Wildpflanzen, die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und anderen Gütern wie Heu oder Honig sowie die Vorbeugung gegen Bodenerosion und Hochwasser – aber auch kulturelle Werte wie Naherholung, Umweltbildung und die Attraktivität der Landschaft. Addiert man diese Effekte, erbringt die Ostritzer Wiese in nur zehn Jahren Leistungen von mindestens 163.000 Euro pro Hektar. Dr. Michael Schlitt dazu: „Tatsächlich dürfte der finanzielle Wert der Leistungen der untersuchten Streuobstwiese für unsere Gesellschaft noch deutlich höher liegen, wurde doch z. B. der Wert der 29 Rote-Liste-Arten auf der Streuobstwiese nicht erfasst, weil dazu eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage fehlt. Dass die Rote-Liste-Arten einen erheblichen Wert haben, dürfte unbestritten sein, aber wie will man ihn festlegen?"
Der BUND appelliert deshalb an Kommunen, Landes- und Bundespolitik, bestehende Streuobstwiesen konsequent zu schützen, Neupflanzungen gezielt zu fördern und den Wert ihrer Ökosystemleistungen künftig in Kosten-Nutzen-Abwägungen einzubeziehen. Nur so lässt sich der doppelte Gewinn – artenreiche Lebensräume und kostenlose Naturleistungen – langfristig sichern.
Diese Publikation ist von herausragender Bedeutung. Bislang wurden Schutzmaßnahmen für die biologische Vielfalt – etwa das Anlegen von Streuobstwiesen – oft umgesetzt, ohne genau zu wissen, wie wirksam sie tatsächlich sind. Einzelne Studien haben zwar für bestimmte Tier- oder Pflanzenarten positive Effekte nachgewiesen, doch eine umfassende Bestandsaufnahme fehlte ebenso wie belastbare Zahlen zu den mittel- und langfristigen Pflegekosten. Ohne Kenntnis der ökologischen Wirksamkeit und der ökonomischen Kosten von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität lässt sich jedoch kein wirksamer und effektiver Schutz der Biodiversität betreiben. Mit der vorliegenden Untersuchung wurde ein Beitrag geleistet, um die genannten Wissenslücken zu schließen.
Die Publikationen stehen kostenlos als Download zur Verfügung unter
https://www.oberlausitz-stiftung.de/arterfassungstreuobstwiese/
und https://www.oberlausitz-stiftung.de/naturkapital-streuobstwiese/
Die Tier-, Pflanzen- und Pilzarten einer jungen Streuobstwiese in Ostritz im Landkreis Görlitz (Sachsen) – Kosten und Nutzen, Peter Decker, Michael Schlitt, Jörg Müller, Birgit Balkenhol, Ulrich Burkhardt, Rolf Franke, Steffen Hoeflich, Michael Krahl, Thomas Luebcke, Christiane Ritz, Markus Ritz, Andreas Scholz & Karsten Wesche, Görlitz/Ostritz, Dezember 2024, 112 Seiten.
Schlitt, Michael, Kramer, Matthias, Naturkapital Streuobstwiese. Ökosystemleistungen – Monetarisierung – Folgerungen, Ostritz, August 2024, 134 Seiten.
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