Klimaklage: Klimaschutz ist Menschenrecht

27. Juni 2024 | BUND, Klimawandel, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Stellungnahmen

Verbände und Einzelkläger*innen fordern von Bundesregierung mehr Klimaschutz • Neues Klimaschutzgesetz: Unzureichende Gesetzgebung für Erreichen der rechtsverbindlichen 1,5 Grad-Grenze • Einhaltung selbst der zu schwachen deutschen Klimaziele erschwert • Bundesregierung bleibt Maßnahmen schuldig – ignoriert und verfehlt sogar die eigenen unzureichenden Klimaziele für 2030 und 2040

Klimaklage Die Zeit läuft ab. Wir brauchen dringend Klimaschutz mit Wumms. ©Jan Kräutle

Berlin/Aachen. Fünf deutsche Umweltverbände werden gemeinsam mit Kläger*innen aus allen Teilen der Gesellschaft insgesamt drei neue Verfassungsbeschwerden gegen die unzureichende Klimapolitik der Bundesregierung sowie insbesondere die Entkernung des Klimaschutzgesetzes (KSG) erheben. Dies kündigten die Verbände für den Fall an, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Gesetzesänderung unterschreiben sollte. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), die Deutsche Umwelthilfe (DUH), sowie Greenpeace und Germanwatch führen jeweils eine Beschwerde mit Klägerinnen und Klägern, die in unterschiedlichen Lebensbereichen von der Klimakrise betroffen sind. Bereits 2021 hatten einige der Klagenden in einem wegweisenden Urteil erreicht, dass das Bundesverfassungsgericht dem Recht auf Klimaschutz Verfassungsrang einräumt. Die Prozessbevollmächtigten sind wieder Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt und Dr. Franziska Heß, Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende des BUND Sachsen.

Der SFV und der BUND verklagen nach 2018 erneut gemeinsam die Bundesregierung. Gemeinsam mit vier Einzelkläger*innen bilden sie den Kreis der Beschwerdeführer*innen. Mit dem neuen KSG verstößt die Bundesregierung nach Auffassung der Beschwerdeführer*innen gegen das Grundgesetz. Das enthaltene Ziel- und Ambitionsniveau ist zu niedrig. Maßstab des Handelns muss die klimawissenschaftlich fundierte, rechtlich verankerte Grenze von global 1,5 Grad maximaler Erderhitzung sein, um die Folgen der Klimakrise noch beherrschbar zu halten.

„Klimaschutz ist Menschenrecht“, so BUND und SFV übereinstimmend. „Das novellierte Klimaschutzgesetz ist gefährlich ambitionslos. Damit setzt die Bundesregierung die Freiheiten heutiger und künftiger Generationen aufs Spiel. Die Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind da, aber die Umsetzung braucht endlich Priorität in der Regierung. Bislang bleibt sie die erforderlichen Maßnahmen schuldig. Und weil die Bundesregierung nicht ausreichend handelt, handeln wir.“

Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND: „Die Klimapolitik dieser Regierung ist eine Enttäuschung. Statt Zögern und Aussitzen braucht es mehr Handeln und Tempo. Aber Mahnen reicht nicht mehr, wenn Häuser von Hochwasser geflutet werden, Äcker austrocknen, Wälder brennen und Arten massenhaft aussterben. Das sind Folgen einer Politik, die nachfolgenden Generationen die Chance auf ein gutes Leben nimmt. Ohne eine wirksame Klimapolitik können wir unseren Wohlstand und unsere Sicherheit nicht erhalten. Noch ist es nicht zu spät, aber dafür ist jetzt ehrgeiziges Handeln nötig. Die verpassten Chancen von heute sind die Krisen von morgen. Deshalb klagen wir: Klimaschutz ist Menschenrecht. Die Regierung hat einen Eid zum Wohle Deutschlands und zur Wahrung des Grundgesetzes geleistet. Wir fordern die Regierung auf, sich daran zu halten.“

Susanne Jung, Geschäftsführerin SFV: „Bereits seit 2010 setzt sich der SFV unermüdlich dafür ein, den Klimaschutz als Grundrecht zu verankern. 2021 konnten wir einen bedeutenden Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht erzielen. Doch statt die gewichtigen Argumente des obersten Gerichts ernst zu nehmen, reduziert die Bundesregierung ihre bereits gefährlich unzureichenden Klimaschutz-Ambitionen weiter. Im Namen der Überlebenschancen heutiger und zukünftiger Generationen dürfen wir diesen eklatanten Rechtsbruch keinesfalls hinnehmen.“

Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt und Dr. Franziska Heß, Prozessbevollmächtigte: „Die deutschen Klimaziele sind schon an sich grundrechtswidrig schwach, weil praktisch kein Klimabudget mehr vorhanden ist – für die 1,75-Grad-Grenze nicht, und für die 1,5-Grad-Grenze, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte jüngst als die menschenrechtlich maßgebliche Grenze bezeichnete, erst recht nicht. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz wird die Einhaltung selbst der unzureichenden deutschen Ziele weiter erschwert. Und die konkreten deutschen Klimaschutzmaßnahmen reichen weder für die eigenen schwachen noch für ambitionierte Klimaziele aus. In dieser Situation ist es Aufgabe des Verfassungsgerichts, die Politik an die Grenzen ihrer Gestaltungsspielräume zu erinnern und die Freiheit und ihre Voraussetzungen wirksam zu schützen.“

Beschwerdeführende sind der BUND und der SFV sowie vier Einzelkläger*innen, die ihre Klage persönlich wie folgt begründen:

Kerstin Lopau, 33 Jahre, Ingenieurin für Erneuerbare Energien und Gründerin eines Solarkollektives: „Ich baue konkrete Alternativen auf, aber das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein – wortwörtlich. Solange die Bundesregierung konsequenten Klimaschutz sabotiert, reicht es nicht. Daher müssen jetzt Maßnahmen auf höchster Ebene her. Die Bundesregierung soll im Sinne von uns Bürger*innen handeln, und dazu fordere ich sie mit der Klage auf.“

Karola Knuth, 23 Jahre, Studentin in Heidelberg, engagiert sich im ehrenamtlichen Bundesvorstand der BUNDjugend: „Die Regierung muss die Freiheiten heutiger und künftiger Generationen schützen, indem sie konsequenten Klimaschutz macht. Deutschland hat seinen fairen Anteil am globalen CO2-Budget zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze bereits aufgebraucht. Jede zusätzliche Tonne CO2, die wir ausstoßen, ist demnach zu viel. Wir erleben, dass die Regierungskoalition einknickt, wenn es Gegenwind gibt. Dieser Zickzack-Kurs riskiert unsere Zukunft und unser Recht auf Freiheit. Ich erhoffe mir, dass das höchste deutsche Gericht die Leitplanken für Klimaschutz nochmal klarer definiert.“

André Wendel, 54 Jahre, Busfahrer in Leipzig, Gewerkschaftsmitglied: „Aus meiner Sicht hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben nicht erledigt. Wenn wir unsere Mobilität und damit auch den Wohlstand trotz Klimakrise erhalten wollen, müssen wir den Verkehrssektor radikal umbauen und ausreichend finanzieren. Damit können wir aber nicht irgendwann beginnen, das muss jetzt passieren. Ich will, dass wir konsequent das Klima schützen und dabei auf soziale Gerechtigkeit achten.“

Dr. Mareike Bernhard, 35 Jahre, Assistenzärztin in Koblenz, engagiert sich bei “Health for Future”, Mutter von drei kleinen Kindern: „Als Ärztin bin ich täglich mit den gesundheitlichen Folgen der Klimakrise konfrontiert. Erst vor wenigen Tagen ging die Schlagzeile um die Welt, dass bei der Hadsch in Mekka hunderte von Pilgern der enormen Hitze erlegen sind. Auch bei uns in Mitteleuropa steigt die Zahl der Hitzetoten, zehntausende waren es in den letzten beiden Sommern europaweit. Angesichts des damit verbundenen menschlichen Leids macht mich die Untätigkeit der Bundesregierung fassungslos.“

Hintergrund: Weitere Informationen und juristische Erläuterungen zur Klage finden Sie in unserem Faktenblatt: Klimaklage: Klimaschutz ist Menschenrecht

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